Quo Vadis Musikindustrie?

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Was du im Beitrag erfährst:
  • In welche Richtung sich die Musikindustrie 2022 entwickeln könnte
  • Wieso es Alternativen zum Streaming braucht
  • Ob Web 3.0, Metaverse, Blockchain und NFTs eine Alternative sind
  • Wieso die Künstler-Fan-Beziehung stärker im Fokus stehen muss

Wenn wir auf die Artikel zurückblicken, die das iGroove Magazin 2021 veröffentlichte, ging es häufig um Erfolge: die Musikindustrie wächst, die Umsätze steigen, mehr Leute konsumieren Musik und viele davon bezahlen auch dafür. Ebenso gab es positive Nachrichten von den DSPs mit steigenden Userzahlen, Gewinnen und Investitionen. Auf der anderen Seite berichteten wir oft über die Probleme der Musiker*innen, die häufig nicht unbedingt neu sind, sich nun mit der Pandemie aber nochmals deutlich verschärften.

Vereinfacht gesagt, tun sich hier zwei völlig verschiedene Blickwinkel und Realitäten auf. Auf der einen Seite eine prosperierende und wachsende Industrie, auf der anderen Seite die Künstlerperspektive mit einer nur sehr kleinen Schicht von Artists, die wirklich vom Streaming profitiert. Mit dem Wegfall von Konzertgagen und teils auch sinkenden Einnahmen aus den Publishing Rights bleibt für viele Artists der Traum von Musik als Beruf unerreichbar, während andere den Musikerjob an den Nagel hängen müssen.

Kurz vor dem Jahreswechsel lohnt es sich also einen Blick nach vorne zu werfen und darüber nachzudenken, wie die Weichen 2022 gestellt werden könnten, damit von den generierten Einnahmen in der Musikbranche mehr bei denen ankommt, die dies alles überhaupt möglich machen: den Künstler*innen.

Alternativen zum Streaming?

Auf Grund der Marktanteile landet man bei dieser Diskussion zwangsläufig beim Streaming. Dieses erscheint momentan völlig alternativlos. Doch dachte man dies früher nicht auch von Vinyl und CDs? Beide Medien sind noch da, doch heute sind sie eher vergleichbar mit Merch-Artikeln wie T-Shirts oder Hoodies. Wer CDs oder Vinyl kauft, tut dies, um Künstler*innen zusätzlich zu supporten aber eine Mehrheit der Käufer*innen von physischen Tonträgern nutzt zusätzlich auch Streaming. Doch wie sähe es aus, wenn Streaming nur eine von verschiedenen wirklichen Alternativen wäre, wie man Musik konsumiert?

Während man früher auf Tour ging, um seine CD zu promoten, ist man heute auf den Streamingdiensten, um genügend Leute zu erreichen, die dann zu den Konzerten kommen. Doch dieser Deal geht nicht auf, schon gar nicht während einer Pandemie. Werfen wir einen Blick auf die Loud & Clear Plattform von Spotify. Dort lernen wir, dass 2020 67.200 Künstler*innen mehr als 5.000 Dollar pro Jahr über Spotify verdienten. Da es ungefähr 8 Millionen Artists auf Spotify gibt, gehört man mit einem Einkommen von z.B. 500 Dollar monatlich (6.000 pro Jahr) also schon nicht mehr zum Mittelfeld, sondern eher zur Elite.

Selbst wenn Spotify die Auszahlung pro Stream verdoppeln würde, verdient der Artist in unserem Beispiel nur 1.000 Dollar monatlich. Um auf einen lebenswerten Betrag von z.B. 4.000 Dollar zu kommen, müsste sich der PPS somit verachtfachen. Wie wir kürzlich in einem Beitrag aufzeigten, würde dies zum Kollaps des Streaming-Systems führen. Zweifellos muss das System optimiert werden, sodass mehr in den Taschen der Künstler*innen und Songwriter*innen landet. Dieses ist jedoch von Grund auf so aufgebaut, dass nicht mehr als eine kleine Schicht signifikante Einnahmen mit dem Streaming erzielt. Was es wirklich braucht, sind nicht Optimierungen, sondern Alternativen.

Liest man über solche tauchen schnell Begriffe wie Web 3.0, Metaverse, Blockchain und NFTs auf. Tatsächlich deutet vieles darauf hin, dass dort die Zukunft der Musikindustrie stattfinden wird. Es ist auch voraussehbar, dass sich 2022 viel bewegen wird in diesem Bereich. Für eine massentaugliche Umsetzung, von der viele Künstler*innen profitieren und die auch beim durchschnittlichen Fan ankommt, ist es nächstes Jahr aber aller Voraussicht nach noch viel zu früh.

Sind Web 3.0, Metaverse & NFTs die Zukunft?

Viele legen ihre Hoffnungen für eine Veränderung in der Musikbranche auf Web 3.0, Crypto, NFTs oder das Metaverse. Wem jetzt bei diesen Begriffen schon der Kopf raucht, dem geht es wie vielen. Und hier liegt gegenwärtig auch noch das Problem. Wenn du als Künstler*in noch nicht wirklich durchschaut hast, wie das mit Tokens, Kryptowährungen, Wallets und so weiter funktioniert, wird es auch der durchschnittliche Fan nicht verstanden haben.

Nun bleibt dir also entweder die Möglichkeit, zu versuchen deine Fans mit der Materie vertraut zu machen. Oder du setzt darauf, dass ein Crypto-Bro sich deinen NFT kauft, während deine wirklichen Fans außen vor bleiben. Gegenwärtig wirst du einen großen Teil deiner Fans nicht auf diese Reise mitnehmen können, womit du sie womöglich verärgerst. Somit muss man sich als Künstler*in die Frage stellen, ob man bereits jetzt auf den Zug aufspringen will und wenn ja, welchen Mehrwert die Fans davon haben.

Praktisch wöchentlich tauchen interessante Projekte im Web 3.0 und NFT-Bereich auf. Doch viele davon stecken in den Kinderschuhen oder noch nicht mal das. In einem ersten Schritt, müssen diese Start-Ups die Künstler*innen überzeugen mitzumachen. In einem zweiten, noch viel wichtigeren Schritt müssten auch die Fans ins Boot geholt werden. Davon sind wir wie erwähnt noch ziemlich weit entfernt, doch es ist gut möglich, dass 2022 die Grundlage geschaffen wird für einen direkten Weg vom Artist zum Fan ohne viele Mittelmänner.

2022 wird aber auch zeigen, ob NFTs als Hype in die Geschichte eingehen oder sie sich tatsächlich als massentaugliches Phänomen etablieren können. Erfolgsgeschichten gibt es einige und diese werden natürlich gerne und laut verkündet. Es gibt aber auch Zahlen, die leise Zweifel zulassen sollten. Bloomberg hat z.B. aufgezeigt, dass einige Musik-NFTs für deutlich tiefere Preise weiterverkauft wurden als dafür ursprünglich bezahlt wurde.

Dies kann ein Zeichen von Abkühlung sein oder eine auf den zweiten Blick positive Entwicklung. Womöglich verschiebt sich der Fokus von reiner Spekulation hin zu einem echten Mehrwert für Künstler*innen und Fans gleichermaßen. Das kommende Jahr wird uns sicherlich deutlich mehr Aufschluss darüber geben. Wie bereits in unserem letzten NFT-Artikel empfehlen wir: weiterhin beobachten aber vorläufig die Füße stillhalten.

Fokus auf die Künstler-Fan-Beziehung

Früher waren Fans dazu bereit für ihre Lieblingskünstler*innen Geld auszugeben. Doch das Streaming hat Musik zu einem Gebrauchsgegenstand gemacht, wo man für einige Euros alles erhält. Natürlich sind die Fans weiterhin bereit Geld auszugeben, nur leider lässt sich das Fan-Dasein auf einer Streamingplattform kaum ausdrücken und auch bei Social Medial lässt es sich nur begrenzt monetarisieren. Beim Streaming steht der einzelne Song im Mittelpunkt, der Fokus muss jedoch wieder stärker auf die Künstler-Fan-Beziehung gelegt werden.

Die große Frage ist nun, wie man herausfindet, wer die Superfans sind, wie man diese erreicht und schließlich monetarisiert. Es geht dabei um Umsätze, die für die Industrie enorm klein, für Künstler*innen aber immens wichtig sind. Findest du 600 Subscriber, die dir monatlich 5 Euro überweisen, verdienst du mit diesen 600 Menschen gleichviel, wie mit einer Million monatlicher Streams. Solche Mikro-Communities sind völlig irrelevant für die Musikbranche, für Künstler*innen aber eine Möglichkeit ihren Lebensunterhalt zu verdienen.

Hierfür lohnt sich ein Blick nach China. Bei den Streamingdiensten von Tencent Music (QQ Music, Kugou und Kuwo) haben die User*innen die Möglichkeit, kleine Beträge an die Artists zu überweisen. Dies wird so intensiv genutzt, dass bei Tencent nur 30% der Einnahmen von Subscriptions und Werbeeinnahmen stammen und der Rest von den Kommissionen der Überweisungen an die Künstler*innen. Natürlich kann man einwenden, dass solche Trinkgelder in China traditionell eher verankert sind. Aber Plattformen wie Twitch beweisen, dass dies auch in der westlichen Welt durchaus funktionieren kann.

Zusätzliche Anreize könnten dies ankurbeln etwa, dass man ein Album gegen einen kleinen Betrag schon früher streamen kann oder sonstiges Bonusmaterial freigeschaltet wird. Dies gibt den Fans eine Möglichkeit auch über Streamingdienste ihre Loyalität zu zeigen und für Künstler*innen öffnet sich eine neue Einnahmemöglichkeit.

Natürlich existieren digitale Fanclubs bereits mit Plattformen wie Patreon. Doch das bedeutet für Musiker*innen, dass sie nochmals ein weiteres Ökosystem nutzen und bespielen müssen. Es ist bekanntlich nicht einfach, die User*innen von einer Plattform zur anderen zu lotsen. Viele scheitern schon daran ihre TikTok-Follower dazu zu bewegen, ihre Musik auf Spotify zu hören. Sie auch noch auf eine Plattform wie Patreon zu führen, stellt ein weiteres Hindernis dar.

Somit wäre es einfacher, solche Funktionen gleich direkt bei Spotify und co. zu integrieren. Der Nachteil davon ist natürlich, dass man sich in eine noch größere Abhängigkeit von Streamingdiensten und somit den Tech-Giganten Spotify, Apple, Amazon oder Google begibt. Diese Firmen verfügen heute bereits über eine enorm große, zentralisierte Macht in der Musikbranche. Und ihr Fokus liegt primär auf ihren eigenen Produkten sowie den Interessen der Aktionär*innen und nicht bei den Auszahlungen an Künstler*innen, Songwriter*innen, Produzent*innen oder unabhängige Labels.

Das ist nicht unbedingt überraschend, Apple, Amazon oder Google sind keine Musikfirmen und auch Spotify ist unter dem Strich eher eine Tech-Firma als ein Musikunternehmen. Vorausgesetzt die Unternehmen bieten den Musiker*innen nicht zusätzliche Monetarisierungsmöglichkeiten, werden die Artists die Abhängigkeit von diesen Giganten verringern und direkte Wege zu ihren Fans finden müssen. Es sind viele spannende Projekte, Ideen und Möglichkeiten vorhanden und 2022 wird sich zeigen, welche sich etablieren können. Das iGroove Magazin bleibt auch im nächsten Jahr am Puls für dich.   

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