Industry Groove – Woche 14

0 Shares

In dieser Ausgabe widmen wir uns erneut dem Thema neues Streaming-Modell, verabschieden uns von Spotify Live und werfen einen Blick auf die Musikmärkte der beiden bevölkerungsreichsten Länder Indien und China.


Wie könnte ein neues Streaming-Modell aussehen?

  • Seit Jahresbeginn habe ich viel über dieses Thema geschrieben und da viele Ideen kursieren, habe ich nun in einem Post alles was bisher geschah zusammengefasst.
  • Der Artikel beleuchtet, wieso die Majors, allen voran Universal, nun plötzlich ebenfalls nach einem neuen Streaming-Model verlangen.
  • Weiter wird aufgezeigt, wie das bisherige System die bislang meistdiskutierte Option User-Centric funktionieren.
  • Schließlich präsentiere ich neun weitere mögliche Modelle über die gegenwärtig gesprochen wird.

Spotify Live ist Geschichte

  • Wenn es noch einen Beweis benötigt hat, dass Social Audio Apps nur ein kurzlebiger Covid-Hype waren, dann ist er nun hier. Spotify hat die App Spotify Live, vormals Greenroom, eingestampft.
  • Spotify erklärt jedoch, sie werden auf ihrer Haupt-App weiterhin mit Live-Creator-Features experimentieren, eine Standalone-App sei dafür jedoch nicht nötig.
  • Sie hätten viel über Live-Aktivitäten gelernt, allerdings zahlten sie damals auch 57 Millionen für die App. Diese Learnings hätte es sicherlich auch günstiger gegeben.
  • Einige der Live-Shows, von denen viele bereits zuvor eingestellt wurden, werden nun als Podcasts auf Spotify weitergeführt.
  • Derweil berichtet TechCrunch, dass Spotify mit neuen User-Profilen experimentiert. Wie immer bei solchen Tests ist jedoch unklar, ob diese jemals für alle User aufgeschaltet werden.

Neue Zahlen von YouTube Shorts

  • Wir wussten bereits, dass YouTube Shorts 50 Milliarden tägliche Views generiert. Nun hat YouTube Music Bauss Lyor Cohen einige neue Zahlen veröffentlicht.
  • Die Top 1.000 Songs bei Shorts generierten alleine im Januar mehr als 280 Milliarden Views.
  • Weiter sollen die von Fans kreierten Shorts die Audience eines Artists um mehr als 80% erhöhen.
  • Die Artists, welche mindestens wöchentlich Shorts posteten, erhielten mehr als 50% ihrer neuen Subscriber über Shorts.
  • Damit will YouTube Shorts aber nicht nur als Alternative zu TikTok oder Reels pushen, sondern es auch als Eintrittspunkt zu YouTube Music, Long-Form-Videos oder Livestreams verstanden wissen. Und dies, anders als etwa bei TikTok, alles im selben Ökosystem.

Zwei Drittel der TikTok-User wissen nicht, was sie gerade hören

  • Der neuste Artikel von MIDiA’s Mark Mulligan wirft allgemein einige Fragen auf, die allen, welche mit Musik-Marketing zu tun haben, zu denken geben sollte. Zudem präsentiert er einige interessante Zahlen.
  • Erstmal erinnert er uns daran, dass das Fansein in einer Krise steckt. Musik wird immer mehr zu Gebrauchtware und im stetigen Strom neuer Songs, treten die Künstler*innen vermehrt in den Hintergrund. Es gibt immer weniger Superfans, dafür mehr und mehr passive Konsument*innen.
  • In diese Lücke springt zu einem Teil TikTok, jedoch zeigt der Artikel, dass mehr Leute neue Musik über den TV entdecken als über TikTok (die Zahlen basieren alle auf UK). Was natürlich auf die steigende Wichtigkeit von Sync-Placements hinweist.
  • Die wohl bedenklichste Zahl: 64% der User wissen meist nicht, welchen Artist sie gerade hören auf TikTok. Und nur 19% der User, die Musik auf TikTok entdecken, verlassen die App dann auch, um den Song auf einem Streamingdienst zu hören.
  • Zudem kritisiert Mulligan, dass viele Labels ihr Marketing nur auf den kurzfristigen Erfolg und nicht den langfristigen Aufbau der Artists aufbauen, obwohl dies auf lange Frist natürlich viel lukrativer wäre.

GEMA mit Rekordergebnis

  • Die Pandemie hatte starken Einfluss auf die Umsätze der Verwertungsgesellschaften und somit auch auf die Auszahlungen an die Songwriter*innen. Doch das schlimmste scheint definitiv überwunden zu sein. Sogar mehr als das.
  • Wie die GEMA vermeldete, konnte sie 2022 mit einem Rekordergebnis beenden. Der Ertrag betrug 1,178 Milliarden Euro und dies führte dazu, dass erstmals über eine Milliarde (1,009 to be precise) an die Rechteinhaber*innen ausgeschüttet werden konnte.
  • Der wichtigste Bereich bleibt „Öffentliche Wiedergabe und Aufführung von Musik“, der dank der Aufhebung der Covid-Maßnahmen um stolze 43,7% wuchs und 357,5 Millionen beisteuerte. Das Vor-Pandemie-Niveau ist jedoch noch nicht ganz erreicht.
  • Einen leichten Rückgang von 3,9% gab es bei den Einnahmen aus Rundfunk und Fernsehen. Diese betragen jedoch weiterhin 325,1 Millionen.
  • Stark gewachsen, um 26,5%, ist der Online-Bereich und zwar auf 301,3 Millionen. Trotz dieser Zunahme weist die GEMA explizit darauf hin, dass sie weiterhin dagegen ankämpfen werden, dass das Streaming „die Rechte von Urheberinnen und Urhebern ausgehebelt.“
  • Gesunken ist hingegen der Bereich Vervielfältigungen, also die klassischen Tonträger, und zwar um 9,2% auf 54,8 Millionen.
  • In Deutschland vertritt die GEMA 90.000 Mitglieder*innen und insgesamt nimmt sie die Urheberrechte von 2 Millionen Rechteinhaber*innen auf der ganzen Welt wahr. Die Kosten, um diesen Auftrag auszuführen, betrugen 168,6 Millionen.

1 Milliarde jährlich geht durch Streaming Fraud verloren

  • Es wäre ja das eine, wenn die Betrüger*innen das Geld nur den DSP klauen würden. Jedoch bedeutet jeder betrügerisch verdiente Euro, dass ein ehrlicher Artist einen Euro weniger hat. Daher muss man das Thema immer und immer wieder aufbringe (was ich tue und damit wohl langsam nerve).
  • Der Artikel von Billboard zeigt, dass dem Thema wieder mehr Aufmerksamkeit geschenkt wird und es diverse neue Studien gibt.
  • Wie schon berichtet, sollen gemäß einer Untersuchung in Frankreich 1-3% aller Streams Fraud sein, dies sind jedoch nur die von DSP entdeckte. Deezer schätzt die Zahl bei eher 7%. Die Firma Beatdapp glaubt sogar, dass es 10% sind. Allerdings haben diese als Hersteller von „Fraud Detection Software“ natürlich ein Interesse daran, das Problem möglichst groß darzustellen.
  • Geht man aber von diesen 10% aus, würde nicht weniger als 1 Milliarde Dollar in den falschen Taschen landen.
  • Gemäß einer Untersuchung sollen 80% der Betrügereien nicht das Ziel verfolgen, ein Release in die Charts zu pushen, sondern diesen der langfristigen Steigerung der Streams.
  • Zudem wird auch klar darauf hingewiesen, dass nicht nur kleinere Artists, die ihre Karriere lancieren wollen, betrügen, sondern Fraud auf allen Stufen der Karriereleiter vorkommt.
  • Im Moment sind es vor allem die DSPs selbst, so wie die Vertriebe, welche versuchen Betrug zu erkennen und zu unterbinden. Mit mäßigem Erfolg, wie sich zeigt.
  • Einige Stimmen fordern daher eine unabhängige Institution, die sich auf die Suche nach Fraud Streams macht. Eine unterstützenswerte Idee wie ich finde, da die DSPs bekanntlich ein überschaubares Interesse daran haben, Fraud aufzudecken.

Spotify wächst stark in Indien

  • Spotify erklärte gegenüber Billboard, dass sie die Anzahl User in Indien in den letzten zwei Jahren verdreifachen konnten. Genaue Zahlen wollten sie keine nennen. Schätzungen gehen von 55 Millionen MAUs (monatlich aktiven Usern) aus. Damit gehören sie zu den Top-5-Ländern in Sachen Anzahl User.
  • Pro Monat sollen rund 10 Milliarden Streams generiert werden.
  • Wo sie natürlich nicht zu den Top 5 gehören, ist der generierte Umsatz. Der Pay-per-Stream ist in Indien deutlich tiefer als in den größten Musikmärkten der Welt (ein Abo kostet auch nur rund 1.45$). Viele User nutzen zudem kostenlose Angebot, was bei der grassierenden Armut im Land nicht weiter erstaunen sollte. In Sachen Pro-Kopf-Einkommen rangiert Indien auf Platz 140 von 190 Ländern. Weniger als die Hälfte haben ein Smartphone oder Internetzugang.
  • Dies zeigt sich auch daran, dass Indien, bald das bevölkerungsreichste Land der Erde, nur den 17.-größten Musikmarkt hat (219 Millionen Dollar Umsatz).
  • Total gibt es in Indien geschätzt 300 Millionen MAUs (zum Vergleich: die USA hat 219 Millionen). Bei 1,4 Milliarden Menschen besteht hier also noch Potential.
  • Als Spotify startete, betrug der Konsum von internationaler Musik zwischen 70-80%. Unterdessen hat es sich umgekehrt und 70% der gehörten Songs stammen von lokalen Artists. Das ist der weltweit höchste Anteil, wie Spotify erklärt.

Das große Potential des chinesischen Musikmarktes

  • Gemäß der IFP gehört China zum ersten Mal zu den fünf wichtigsten Musikmärkten der Welt.
  • Vergangenes Jahr wuchsen die „Recorded Music Revenues“ um stolze 28,4%. Nicht weniger als 89% dieser Umsätze steuert das Streaming bei.
  • Total soll es rund 100 Millionen zahlende Subscriber geben. Eine enorme Zahl, gemessen an der Einwohnerzahl Chinas besteht hier aber noch ordentlich Luft nach oben. Vor allem wenn man es mit dem Video-Streaming vergleicht: Dort gibt es nämlich satte 700 Millionen zahlende Kunden.

Bonus Reads

  • Die Marktanteile der Majors sinken kontinuierlich und nur 4% der hochgeladenen Songs stammen von den drei Majors, wie ich letzte Woche berichtete. Bereits dort wies ich daraufhin, dass die Giganten nun wohl verstärkt ihre Independent-Vertriebe pushen wollen. Der neuste MBW-Artikel geht nun detaillierter auf dieses Thema ein.
  • Gemäß einer Forschungsinstitution, die sich der Transparenz in der Politik verschrieben hat, soll ByteDance seit 2019 13,4 Millionen Dollar in Lobbying in den USA investiert haben. 5,3 Millionen davon alleine im vergangenen Jahr. Damit hätten sie sogar Amazon, Meta und Alphabet (Google) überholt. Momentan scheint es, als hätte es nicht sehr viel genützt, aber womöglich lässt sich der Ban von TikTok ja doch noch abwenden. Derweil dürfen auch Staatsangestellte in Australien und Seuneeland äh Neuseeland TikTok nicht mehr auf ihren Geschäftshandys installieren.
  • Dieser Artikel will mit 10 Social-Media-Mythen aufräumen. So zum Beispiel, dass man auf jeder Plattform einzigartigen Content verbreiten solle oder mehrmals täglich posten muss.
  • Der Bundesverband Musikindustrie (BVMI) und sein Dachverband IFPI haben vor Gericht gegen YouTube-DL gewonnen, eine Seite mit der sich Musik von, genau, YouTube rippen lässt. Da rund 30% der Musikkonsument*innen auch auf illegalen Wegen Musik hören, ist dies natürlich nur ein kleiner Sieg, aber man darf hoffen, dass dieser Präzedenzfall größere Wirkung hat.
  • Diese Meldung hat zwar eher indirekt etwas mit der Musikindustrie zu tun, trotzdem hat die News, dass Disney seine Metaverse-Abteilung schließt, durchaus Signalwirkung. Es scheint mir nämlich, dass immer mehr Firmen in den Bereichen Metaverse und NFTs auf die Bremse treten, was wohl keine guten Neuigkeiten für deren baldige Massentauglichkeit darstellt.
  • Die neusten Medienartikel deuten darauf hin, dass die im Musikindustrie-Mekka Zug angesiedelte Firma Utopia in argen finanziellen Schwierigkeiten steckt. Nachdem sie letztes Jahr eine Firma an der anderen kauften, buchstabieren sie stark zurück. Die britische Publishing Plattform Sentric haben sie nun an Believe verkauft, die ihr Publishing-Business aufbauen wollen.
  • Der Autor dieses Artikels fragt sich, wieso die Metadaten nicht überall so vorbildlich gehandhabt werden, wie bei Apple Music Classic. Wäre das auch bei anderen DSP so, könnte man z.B. nach Pharrell suchen und bekäme nicht nur dessen eigene Songs, sondern auch gleich alles, was dieser produziert hat. Interessiert vermutlich die wenigsten, wäre aber wohl etwas für ein teureres Abo, welches sich an Superfans und Nerds wie mich richtet.

0 Shares