Industry Groove – Woche 13

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Auch diese Woche dreht sich wieder (fast) alles direkt oder indirekt um ein neues Streaming-Modell und die Frage, ob Streaming als Geschäftsmodell überhaupt funktionieren kann. Einerseits zeigen die neuesten Zahlen, dass in den letzten drei Jahren noch nie so viel Musik auf die DSP geladen wurde. Andererseits wird ein erschreckend hoher Anteil der vorhandenen Musik selten bis nie gehört. Nach der Lektüre dieser Artikel wird wieder einmal deutlich, dass Änderungen unbedingt notwendig sind.

Das zweite große Thema bleibt KI und prominente Vertreter der Tech-Industrie fordern, dass man erst einmal ein wenig auf die Bremse tritt.


Millionen ungehörter Songs verursachen riesige Kosten für Spotify

  • MBW hat sich mal wieder in die Zahlen von Spotify vertieft. Bzw. dieses Mal drehen sich die Zahlen um Spotify, geliefert wurden sie aber vom „Insights Provider“ Luminate.
  • Und diese Zahlen verraten uns, dass 67,1 Millionen Songs auf Spotify im gesamten Jahr 2022 weniger als 10 Mal gespielt wurden. Dies sind nicht weniger als 42% der 158 Millionen Songs auf Spotify!
  • Noch verrückter ist die nächste Zahl: 38 Millionen Tracks oder 24% alles Songs erhielten 2022 keinen einzigen Stream. Nicht.Einen.Verdammten.Stream!!! Also nicht mal der Artist selbst oder dessen Mutter hielt es für nötig den Song wenigstens einmal zu spielen.
  • Das Problem ist natürlich nicht ganz neu, bereits vor rund einem Jahr berichtete ich, dass mehr als die Hälfte aller Songs auf Spotify weniger als 500 All-Time-Streams hat.
  • Dies führt MBW direkt zum Thema Kosten, die Spotify für Cloud Storage entsteht (Geld das zu Konkurrent Google fließt). Ende letzten Jahres berichtete ich in diesem Artikel von mindestens 130 Millionen jährlich, die Spotify dafür ausgibt sehr viele Songs, die keiner hört zu speichern.
  • Unterdessen sieht MBW diese Kosten bei etwa 150 Millionen. Eine neunstellige Summe, die sich sehr direkt auf die Marge und auch auf die Auszahlungen an die Künstler*innen, die tatsächlich Streams generieren, auswirkt.
  • Die mögliche Lösung: Artists mit wenigen Streams müssen bezahlen, um ihre Songs auf der Plattform zu behalten. Das Problem: das würde ziemlich viel Bürokratie mit den verschiedenen Distributoren verursachen. Muss Spotify wieder den direkten Upload auf ihre Plattform zulassen?

Fast die Hälfte aller Songs auf den DSPs stammt von 2020 bis heute

  • Ein weiterer Artikel von MBW, der auf Zahlen von Luminate basiert, zeigt, dass beinahe die Hälfte aller Songs auf den DSPs 2020 oder später veröffentlicht wurde. Eine überaus erstaunliche Zahl wie ich finde.
  • Seit 2020 wurden 90,4 Millionen separate ISRCs auf die Streamingdienste geladen. Am meisten waren es 2022 mit 34,1 Millionen. Dies sind somit 46% aller Tracks, die sich in der Datenbank von Luminate befinden (196 Millionen).
  • Luminate bestätigt zudem, dass es tatsächlich fast 100.000 Songs (98.500 um genau zu sein) sind, die jeden Tag auf die DSPs geladen werden. Oder wie sie es sagen: Songs mit neuem ISRC (wird also der Vertrieb gewechselt und der ISRC beibehalten, zählt das nicht).
  • Von diesen 98.500 Tracks stammen nur 4% von den drei Majors. Diese laden aber immerhin auch 3.940 Tracks jeden Tag rauf, was für nur drei Firmen doch auch verdammt viel ist!
  • MBW vermutet, dass die Majors nun ihre „Independent Vertriebe“ InGrooves, The Orchard, AWAL, Santa Anna, ADA und Level Music weiter pushen werden, um sich Marktanteile zurück zu erkämpfen.

Wieso das Businessmodell von Spotify nicht aufgehen kann (und was Apple damit zu tun hat)

  • Egal wie eindrücklich die Zahlen sind, die Spotify präsentiert (wie etwa: 40 Milliarden an die Musikindustrie ausgeschüttet), wirklich happy ist niemand. Weder die Künstler*innen noch die Investor*innen.
  • Dieser Artikel argumentiert, dass ihr Businessmodell es faktisch verunmöglicht wirklich signifikante Auszahlungen an Artists zu tätigen und gleichzeitig ist es praktisch unmöglich, dass die Firma jemals wirklich profitabel wird.
  • Seit ihrer Gründung gab es kaum je Quartale ohne Verlust. Das erste Mal gab es dies übrigens 2018, 12 Jahre nach der Gründung!
  • Da sie 70% ihrer Einnahmen ausschütten (was ja dann trotzdem zu wenig ist), sei ihre Bruttomarge schlicht zu dünn. Vor allem, wenn ihre Fixkosten derart hoch sind (siehe Artikel oben).
  • Der Artikel erinnert schließlich daran, dass es Apple waren, die mit ihrem iTunes-Store den Anteil von einem Drittel einführten, was zur Grundlage für die heutige Streaming-Economy wurde.
  • Damit seien den Künstler*innen über die Jahre Milliarden entgangen. Als einzige wirklichen Gewinner stehen die Konsument*innen da, die 100 Millionen Songs (nicht Milliarden wie im Text steht) für ein Trinkgeld erhalten.
  • Der Autor glaubt Spotify werde nie mit den Tech-Giganten, sprich ihren direkten Konkurrenten, mithalten können und werde früher oder später aufgekauft werden.
  • Der Artikel bietet zwar keine neuen Erkenntnisse, fasst sie aber gut zusammen und zeigt vor allem, dass sich das Streaming-System nicht flicken lässt, daher wird man nach Alternativen suchen müssen.

Spotify zeigt neu die „Active Audience“

  • Spotify bietet über S4A den Artists ab sofort einen Einblick in ihre aktiven Hörer*innen. Also denjenigen, deren Songs auch tatsächlich gehört werden.
  • Aktiv bedeutet in diesem Fall, dass der Song über das Artist Profile, das Album oder die Release Page gehört wurde. Oder der User den Track über seine eigene Library oder Playlist gespielt hat.
  • Weiter werden die aktiven Hörer*innen in drei Kategorien unterteilt: Super, moderate und light. Super sind diejenigen, welche in den letzten 28 Tagen einen Artist besonders häufig gehört haben, moderate hörten den Artists mehrfach und light sind diejenigen, welche die Musik des Artists nur ein oder zwei Mal spielten im letzten Monat.
  • Gemäß Spotify hören die aktiven Hörer*innen einen Artist 4x häufiger in den nächsten 6 Monaten verglichen mit den passiven Hörern, die einen Artist nur über Editorial oder personalisierte Playlisten konsumieren.
  • Was nun noch fehlt, ist ein Tool um diese Active Audience auch aktiv anzugehen.

Tech-Leader verlangen einen AI-Stopp für 6 Monate

  • Künstliche Intelligenz bietet sagenhaft viele Möglichkeiten und ist ohne Zweifel gekommen um zu bleiben. Verständlicherweise sorgt sie aber nicht nur für Begeisterung, sondern auch für Ängste nicht zuletzt bei vielen Kreativen, wie etwa Songwriter*innen.
  • Um diese Ängste ernst zu nehmen und auch, um den Regierungen Zeit zu geben herauszufinden, wie man diesen Bereich eigentlich zu regulieren hat (wovon ja noch keine Regierung wirklich einen Plan hat), fordern über 1.000 Leute aus dem Tech- und Wissenschaftsbereich sofort alle Trainings von KI-System, die fortschrittlicher sind als ChatGPT-4, für 6 Monate zu pausieren.
  • Es handelt sich dabei nicht etwa um KI-Kritiker*innen, sondern um Leute von Apple, Google oder meinen guten Freund Elon Musk.
  • Die Erstunterzeichner schreiben: „KI-Systeme mit menschenähnlicher Intelligenz können tiefgreifende Risiken für die Gesellschaft und die Menschheit darstellen, wie umfangreiche Forschungsergebnisse zeigen, die von führenden KI-Laboren anerkannt werden.“
  • Weiter schreiben sie: „Zeitgenössische KI-Systeme werden nun bei allgemeinen Aufgaben menschenkonkurrierend und wir müssen uns fragen: Sollten wir Maschinen erlauben, unsere Informationskanäle mit Propaganda und Unwahrheit zu überfluten? Sollten wir alle Arbeitsplätze automatisieren, auch die erfüllenden? Sollten wir nicht-menschliche Geister entwickeln, die uns irgendwann an Zahl, Intelligenz und Ersetzbarkeit übertreffen könnten? Sollten wir das Risiko des Verlusts der Kontrolle über unsere Zivilisation eingehen? Solche Entscheidungen dürfen nicht an ungewählte Technologieführer delegiert werden.“
  • So schnell wie sich der Bereich gerade entwickelt, ist eine Verschnaufpause womöglich nicht die allerdümmste Idee.

Bonus Reads

  • Bislang betrafen die Entlassungen primär die Tech-Branche, doch nun trifft es auch das erste Majorlabel. Warner Music entlässt 4% ihrer Angestellten, was in konkreten Zahlen 270 Mitarbeiter*innen entspricht. Total hat Warner rund 6.200 Angestellte.
  • Fünf Stunden lang wurde der TikTok CEO von den US-Politikern gegrillt und nach dem nicht unbedingt überzeugenden Auftritt von Shou Zi Chew sieht Billboard einen Ban von TikTok als immer wahrscheinlicher. Was für einen Einfluss dies auf die Billboard Charts hätte, fassen sie hier auch gleich noch zusammen.
  • Wie Fortnite zu einer neuen Einnahmequelle für Musiker*innen und Labels werden könnte, zeigt dieser Artikel.
  • Ich habe im Newsletter schon mehrfach geschrieben, dass Nischen eine immer wichtigere Rolle spielen. Diese Nischen will nun auch Spotify noch stärker bedienen und zwar mit ihren neuen „Niche Mixes“. Einige davon gibt es ab sofort unter „Für dich erstellt“ – viele mehr, auch ziemlich abstruse, findet man über die Suchfunktion. Total soll es zehntausende von Mixes geben und zwar personalisiert für jeden einzelnen User.
  • Spotify hat jüngst einige Marketing-Tools lanciert oder ausgeweitet. Die Übersicht und den Deep-Dive gibt’s in diesem Paper von Music.Ally.
  • YouTube verkündete, dass unterdessen 100.000 Creator ihren Online Shop mit ihrem YouTube Channel verlinkt haben. Für Musiker*innen ist dies definitiv eine interessante Option, gerade auch, weil der Shopping-Bereich auch bei Shorts ausgebaut werden soll.
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