Industry Groove – Woche 32

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Das Streaming hat die Musikindustrie vor dem Untergang gerettet und nun sollen die Superfans die Musikindustrie vor dem Streaming retten. So könnte man die aktuellen Hoffnungen vereinfacht und zugespitzt formulieren. Der wichtigste Artikel dieser Woche zeigt jedoch, dass viele Fans es „verlernt“ haben, Superfans zu sein, und es eine schwierige, aber immens wichtige Aufgabe sein wird, ihnen dies wieder beizubringen.

Die zweite wichtige Meldung der Woche betrifft die sich anbahnende Zusammenarbeit zwischen Google und den Majors im Bereich KI und Deepfakes. Noch ist zu wenig bekannt für eine genaue Einordnung, aber es scheint jetzt schon klar zu sein, dass mit dieser Zusammenarbeit wohl entscheidende Weichen gestellt werden.

Danke an alle, die meine Kurzumfrage bereits ausgefüllt haben. Ich lasse diese noch eine weitere Woche laufen und bitte alle, die bislang noch nicht die Zeit hatten, sich doch diese Minute noch zu nehmen.

Morgen feiert HipHop seinen 50. Geburtstag. Einer, der nicht nur viel zur Kultur, sondern auch zum Jubiläum beigetragen hat, ist Nas. Daher lege ich euch dieses Interview ans Herz. Nas ist nicht nur Künstler und Geschäftsmann, sondern halt auch immer noch Fan.


Fans müssen animiert werden, wieder Superfans zu sein

  • Superfans sind in letzter Zeit vermehrt ein Thema, so etwa im Newsletter der letzten Woche, in dem ich die Zahlen einer Spotify-Studie präsentierte. Der neueste Artikel von MIDiA will zwar keineswegs die Wichtigkeit dieser Superfans in Frage stellen, warnt aber davor, sie zu Heilsbringern hochzustilisieren.
  • Mark Mulligan zeigt darin, dass Superfans schon seit jeher wichtig waren, es in Zukunft aber womöglich nicht mehr so sehr sein werden und zwar aufgrund der von der Streamingbranche hervorgebrachten Veränderungen der Industrie.
  • Mit einem kurzen Abriss der Geschichte der Superfans zeigt Mulligan, dass es früher praktisch keine Grenzen gab, wie viel ein Superfan monatlich ausgab. Investiert wurde dabei hauptsächlich in physische Tonträger.
  • Mit dem Aufkommen des Streamings verlagerten sich die Ausgaben der Superfans in den Bereich der Live-Shows und des Merchandisings.
  • Die Superfans, die früher mehrere Alben im Monat kauften, bezahlen nun plötzlich genauso viel für ein Streaming-Abo wie ehemalige Gelegenheitskäufer. Zudem wuchs eine Generation heran, für die es normal ist, alle Musik der Welt für 9,99 (oder jetzt 10,99) zu erhalten. Oder wie Mulligan schreibt: “When everybody’s super, no one’s super.”
  • Solange das Streaming für stetiges Wachstum sorgte, schien das aber niemanden so richtig zu interessieren. Doch jetzt, wo selbst die Majors Veränderungen bei den DSPs einfordern, verschiebt sich der Fokus wieder stärker auf die Superfans. Jedoch steht man nun vor dem Problem, dass sich nach 15 Jahren Streaming-Ära das Konsumverhalten komplett verändert hat.
  • Man muss die Fans also erst wieder dazu animieren, man könnte auch sagen erziehen, Superfans zu sein. Wo Mulligan hier jedoch einen weiteren Stolperstein sieht: Bei einem Livekonzert erhält der Fan ein einmaliges Erlebnis. Kauft er ein Vinyl oder eine sonstige Special Edition jedoch nur Musik, die er auch auf den Streaming-Plattformen findet.
  • Es braucht somit also neue Dinge, die den Fans einen Mehrwert bieten und ihnen einen Grund geben, mehr Geld auszugeben, ohne dass sie sich dabei fühlen, als wären sie um ihre Kohle betrogen worden. Ohne diesen Mehrwert werden die Superfans kaum zu einer solchen Stütze, wie viele es gegenwärtig erhoffen.

Amazon Music bringt Merch auf Bandsintown

  • Zu dem oben genannten Artikel über die Superfans passt diese Meldung über die Zusammenarbeit von Amazon Music und Bandsintown, die nochmals unterstreicht, dass sich die Einnahmen in den Livesektor und den Merchandise-Bereich verschoben haben.
  • Amazon Music sorgt ab sofort dafür, dass auf der Konzert-Entdeckungsplattform Bandsintown nicht nur die Shows deiner Lieblingskünstler*innen ersichtlich sind, sondern auch gleich noch deren Merch gekauft werden kann.
  • Unter dem Begriff „Merch“ fallen hierbei nicht nur T-Shirts oder Hoodies, sondern auch physische Tonträger sowie weitere Accessoires.
  • Alle Künstler*innen, die ihr Merch bereits über Amazon Music anbieten, können dies nun auch auf Bandsintown integrieren und mit den Bandsintown-Marketing-Tools bei ihren Followern bewerben.

Major-Labels und Google verhandeln über KI-Tool mit Deepfakes

  • Obwohl die rechtliche Situation hinsichtlich Deepfakes wie Fake-Drake nicht ganz so klar ist, wie es auf den ersten Blick scheint, gehen die Majors, vor allem Universal Music, rigoros gegen Deepfakes vor und lassen sie wo immer möglich entfernen. Dies dürfte weiterhin die Strategie bleiben, bis ein Tool vorhanden ist, mit dem sie selbst an den Deepfakes verdienen können.
  • An einem solchen Tool arbeiten die Majors Universal Music und Warner Music offenbar mit Google. Dies berichtet zumindest die Financial Times. Mit diesem Tool sollen Nutzer*innen neue Musik basierend auf bestehenden Songs oder mit den Stimmen bekannter Acts erstellen können.
  • Die Urheberrechtsinhaber*innen sollen dann automatisch entlohnt werden. Die Artist sollen jedoch auch die Möglichkeit haben, sich nicht zu beteiligen.
  • Weiter wurde vermeldet, dass der YouTube Music Boss und Industrie-Veteran Lyor Cohen bei dem Projekt involviert ist. Weder er noch sonst jemand hat sich bislang offiziell geäußert.
  • Damit würden also ein Tech-Riese gemeinsam mit den Riesen der Musikindustrie für die Regulierung und Lizenzierung im Deepfake-Bereich sorgen und es ist nicht auszuschließen, dass andere Tech-Giganten nachziehen. Inwiefern kleinere Start-Ups, die in dem Bereich aktiv sind, noch eine Chance haben, ist nun natürlich fraglich.
  • Da aber alles noch in einem sehr, sehr frühen Stadium ist, bleiben entsprechend noch sehr viele Fragen offen. Es wird auch noch einen Moment dauern, bis das Tool effektiv eingeführt wird.

Bonus Reads

  • Billboard zeigt in diesem unaufgeregten Artikel abseits jeglicher Fake-Drake-Aufregung, was KI in der Musikindustrie bereits alles verändert hat.
  • Threads hat einen raketenhaften Start hingelegt und innerhalb weniger Tage die Marke von 100 Millionen Usern geknackt. Viele Musiker*innen lässt dies jedoch bislang kalt, wie dieser Artikel von Music Ally zeigt. Generell mehren sich die Anzeichen, dass der Start zwar raketengleich war, jedoch schon bald der Sinkflug einsetzte.
  • Bandcamp hat ein neues Tool namens Listening Party lanciert, welches genau das bietet, was der Name verspricht. Man hört sich sein Album gemeinsam mit seinen Fans an, die es währenddessen (vor-) bestellen können. Derweil kann man via Live Chat direkt mit den Fans in Kontakt treten.
  • Was wäre, wenn Spotify in den USA dem Vorbild von TikTok Music, Deezer oder Gaana folgen würde und sein Free Tier beenden würde, um zusätzliche Subscriber zu gewinnen? Dieser Frage geht der interessante Artikel von MBW nach, der zeigt, dass es Millionen zusätzlicher Abonnenten bedürfte, um die verlorenen Werbeerträge zu kompensieren.
  • Alle drei Major-Labels haben ihre Zahlen für das zweite Quartal veröffentlicht und das hat MBW veranlasst, zu überprüfen, wie die drei größten Labels im ersten Halbjahr abgeschnitten haben. Zusammen haben die Majors (einschließlich Publishing) 12,99 Milliarden umgesetzt, was genau eine Milliarde mehr ist als im ersten Halbjahr 2022. Mit anderen Worten sind das 72 Millionen pro Tag oder 3 Millionen pro Stunde. Weiteres Zahlenmaterial gibt es hier.
  • Nur im Fußball wird das Publikum noch miserabler behandelt als in der Livemusik-Industrie, findet zumindest Eamonn Forde in diesem gleichzeitig amüsanten und zum Nachdenken anregenden Meinungsbeitrag.
  • Der KI-DJ von Spotify war zunächst nur für Premium-Abonnenten in den USA und Kanada verfügbar. Später wurde er in Großbritannien und Irland eingeführt und ist nun in 50 Ländern erhältlich, in denen Englisch eine der Hauptsprachen ist. User in Deutschland, der Schweiz und Österreich müssen sich entsprechend weiterhin gedulden (sofern sie überhaupt daran interessiert sind).
  • Vor einigen Monaten hat Meta das Tool MusicGen veröffentlicht. Wie sich nun zeigt, war dies jedoch nur der erste Schritt im Bereich der Musik-KI. Unter dem Namen AudioCraft fasst Meta drei Produkte zusammen: AudioGen, EnCodec und das bereits bekannte MusicGen. Alle drei sind Open-Source-Tools und dienen somit viel eher als Grundlage für neue Projekte als als fertige Lösungen.
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