Industry Groove – Woche 34

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Putins Soldaten haben das „Z“, Elon Musk macht aus Twitter „X“ und wir fragen uns „Y“. Wenn Musk so weitermacht, besteht durchaus das Risiko, dass „X“ zu einem Netzwerk wird vergleichbar mit Trumps Truth Social, welches völlig auf eine Person ausgerichtet ist und auch nur noch eine sehr klar definierte Zielgruppe anspricht. Vorderhand ist Twitter zwar eindeutig auf dem absteigenden Ast, hat aber natürlich noch längst nicht alle seine Relevanz eingebüßt und bleibt eine wichtige Quelle, gerade für Journalist*innen. Doch man kann sich fragen, wie lange noch. Ebenso unsicher ist, ob Threads vom Schwächeln von Twitter, pardon „X“, wird profitieren können. Es macht momentan noch nicht den Anschein. Ein interessanter Gedankenanstoss war hierzu kürzlich in einer Schweizer Tageszeitung zu lesen: „Werden Twitter und Threads zu dem, was in den USA die TV-Sender Fox News und MSNBC sind, also Meinungsportale der jeweiligen politischen Lager?“

Was die verfeindeten Lager mehrheitlich vereint, ist ihre Abneigung gegenüber TikTok. (Sidenote: Seit Neuestem ist TikTok auch auf den Handys der Angestellten von New York City verboten). Es wird interessant zu beobachten sein, wie die bislang kometenhafte Reise von TikTok weitergeht. Obwohl viele es nicht wahrhaben wollen, ist TikTok für die jüngere Generation eine der, wenn nicht sogar die wichtigste Informationsquelle. In diesem Newsletter interessiert uns jedoch vor allem, wie TikTok sich in der Musikindustrie positioniert und auch hier sind noch viele Fragen offen, wie der Beitrag unten zeigt.


TikTok und seine Beziehung zur Musikindustrie

  • In dem Artikel weist MBW darauf hin, dass TikTok langsam erwachsen wird. Ähnlich wie andere Tech-Firmen vor ihnen, prominentestes Beispiel ist natürlich YouTube, hat TikTok erkannt, dass es hinsichtlich Musikrechten nach den Regeln spielen muss. Darauf deutet zumindest der Deal mit Warner Music hin.
  • Auch wenn die Einzelheiten des Deals unter Verschluss bleiben, ist davon auszugehen, dass sich Warner nicht mehr mit den bisherigen Pauschalzahlungen abspeisen lässt.
  • Selbiges gilt natürlich auch für andere wichtige Player wie Universal, Sony oder Merlin. Doch hier bleibt vieles noch im Unklaren und somit ist die Beziehung von TikTok und der Musikindustrie weiterhin in der Schwebe. Gerade hinsichtlich der Expansion von TikTok Music ist dies sicherlich keine befriedigende Ausgangslage.
  • Die Ambitionen von TikTok sind klar: man will nicht nur kulturell relevant für die Musikbranche sein, sondern auch ein wichtiger Teil davon. Dies machen sie nicht nur mit TikTok Music klar, sondern auch mit Ripple oder SoundOn.
  • Eine Firma, die sich als so essentiellen Teil der Musikindustrie versteht und über eine Milliarde User hat, kann jedoch unmöglich weniger an die Musikbranche ausschütten als Peloton, mit seinen 5,9 Millionen Usern. Das sollte allen Beteiligten klar sein und der Deal mit Warner ist nun ein erster Schritt.
  • Sobald alle wichtigen Player der Musikindustrie neue Verträge mit TikTok im Trockenen haben, ist es immens wichtig, gegenüber den Künstler*innen transparent zu sein, damit diese wissen, wie die Umsätze generiert werden, wie diese berechnet werden und was ihr Anteil ist.
  • TikToks Head of Music, Ole Obermann, sprach kürzlich in einem Interview über die Synergien zwischen TikTok und TikTok Music. Obermann kündigte an, dass sie einige erstaunliche Brücken zwischen den beiden Apps schaffen werden. So sollen die Empfehlungen auf TikTok Music stark von den auf TikTok gezeigten Musikvorlieben beeinflusst sein. Der Einfluss soll jedoch in beide Richtungen gehen, sodass die Nutzer beispielsweise direkt Videos aus den Songs in ihren Playlists erstellen können. Dadurch soll quasi ein Loop zwischen den beiden Apps entstehen und ich habe schon mehrfach darauf hingewiesen, dass genau dies einer der großen Vorteile von TikTok Music werden könnte.
  • Schließlich noch diese Meldung: Bei TikTok gibt es nun auch Werbung in den Suchergebnissen. Für die User nicht unbedingt erfreulich, aber aus Sicht der Werbetreibenden natürlich sehr interessant – auch im Musikbereich.

Wie falsche Anreize das Musikgeschäft zu einem Nullsummenspiel machen

  • In letzter Zeit wurde viel darüber geschrieben, dass es immer weniger echte Superstars gibt und wie schwierig es geworden ist, aus der stetig wachsenden Masse herauszustechen. Und natürlich gab es verschiedene Analysen dafür, wieso wir uns in dieser Situation befinden.
  • Der neueste Artikel von MIDiA zeigt, dass falsche Anreize sowohl bei Labels, DSPs als auch bei den Künstler*innen selbst zu negativen Ergebnissen führen.
  • Die Labels müssen unbedingt ihren Marktanteil halten oder ausbauen. Da sich die Hörer*innen immer mehr auf unzählige Nischen verteilen, setzen die Labels vermehrt auf Künstler*innen, die viral gingen, anstatt Artists langfristig aufzubauen. Durch die Fragmentierung der Hörer*innen klammern sich die Label je länger desto verzweifelter an alles, was irgendwie viral gegangen ist.
  • Die DSPs haben das Problem, dass der größte Anteil ihrer Einnahmen, rund 70 %, an die Rechteinhaber*innen der Musik geht. Musik zu lizenzieren ist teuer, insbesondere Musik von den etablierten Labels. Für die DSPs ist es daher lukrativ, auf „günstigere“ Musik wie lizenzfreie Songs, Mood-Musik oder sogar von KI erstellte Tracks zu setzen. Das Ergebnis: Labels und Künstler haben das Nachsehen und die Qualität der Musik auf den DSPs sinkt merklich.
  • Für viele Künstler*innen ist es das Ziel, von ihrer Kunst leben zu können. Viele erkennen jedoch bald, dass das Geld, das sie von den DSPs erhalten, dafür nicht ausreicht. Somit haben die DSPs auch nicht mehr unbedingt Priorität. Natürlich laden sie ihre Musik weiterhin auf die Streamingdienste hoch, aber die Promotion und Monetarisierung findet vermehrt anderswo statt. Das führt dazu, dass das kulturelle Kapital der DSPs sinkt und andere Orte entstehen, wo man mit den Fans in Kontakt tritt. Nicht zuletzt führt das Bespielen von immer mehr Kanälen bei vielen Musiker*innen zu einem Burnout.
  • Wie man sehen kann, kämpft jeder der Beteiligten mit eigenen Problemen und eine Verbesserung für eine Partei bedeutet meistens einen Verlust für eine andere.
  • Für MIDiA ist klar, dass sich die Ökonomie des Streamings grundlegend ändern muss, um aus dieser Negativspirale ausbrechen zu können. Genau dies fordern unzählige Künstler*innen schon länger und auch Universal Music drängt seit diesem Jahr auf ein neues Streamingsystem. Wann wir erste Ergebnisse sehen können, wird sich zeigen.
  • Wir sollten jedoch aufhören, die heutige Situation mit einer Vergangenheit zu vergleichen, in der globale Superstars den Ton angaben. Deren Zeit läuft ab, dafür gibt es immer mehr mittelgroße Stars mit extrem treuer Fangemeinde.
  • Tatiana Cirisano geht sogar so weit zu empfehlen, dass aufstrebende Künstler*innen eben genau keinen viralen Moment haben sollten, da dies nicht unbedingt die beste Grundlage für eine langfristige Karriere ist. Vielmehr sollte sich die Industrie wieder darauf besinnen, die Musiker*innen erst in Ruhe aufzubauen, bevor sie richtig durchstarten. Food for thought!

YouTube und Universal Music kooperieren für KI-Inkubator

  • Es gibt Bewegung in der Beziehung zwischen der Musikindustrie und KI. Kürzlich berichtete ich darüber, dass die beiden Majors Universal und Warner mit Google zusammenarbeiten. Nun wurde bekannt, dass Universal auch mit YouTube kooperiert, die ebenfalls zu Google gehören, um im Bereich KI gemeinsam Tools zu entwickeln.
  • Diese Tools sollen sichere, verantwortungsvolle und nicht zuletzt profitable Möglichkeiten für die Musik-Rechteinhaber*innen bieten, schreibt Universal-CEO Lucian Grainge in einem Gastbeitrag auf dem YouTube-Blog.
  • Auch der YouTube-CEO Neal Mohan hat einen Blog-Post verfasst, in dem er die drei Grundsätze ausformuliert, die sie bei der Entwicklung neuer KI-Tools leiten werden.
  • Grundsatz Nr. 1: KI ist da, und wir werden sie gemeinsam mit unseren Musikpartnern verantwortungsvoll nutzen.
  • Grundsatz #2: KI leitet ein neues Zeitalter der kreativen Ausdrucksweise ein, muss jedoch angemessenen Schutz bieten und Möglichkeiten für Musikpartner freischalten, die sich dafür entscheiden, daran teilzunehmen.
  • Grundsatz Nr. 3: Wir haben eine branchenführende Vertrauens- und Sicherheitsorganisation und Inhaltsrichtlinien aufgebaut. Wir werden diese skalieren, um den Herausforderungen der KI zu begegnen.
  • Bereits jetzt wird eine Art neue Content ID diskutiert, die Deepfakes erkennt und diese dann für die Künstler*innen monetarisiert.
  • Dies soll zudem kein Alleingang von YouTube und Universal werden. Andere Branchenakteure sind eingeladen, sich ebenfalls zu beteiligen.
  • Derzeit scheint es jedoch so, als würden sich Universal und Google gemeinsam an die Spitze setzen, um die Regulierung und Monetarisierung von KI-Musik voranzutreiben. Ob das für Musiker*innen von Nutzen ist, wenn die wohl mächtigste Firma der Welt und die größte Musikfirma gemeinsam die Speerspitze bilden, ist sicherlich diskussionswürdig. Erste kritische Stimmen werden bereits laut und das ist auch richtig und wichtig!

Bonus Reads

  • Die Zahlen des ersten Halbjahrs 2023 im österreichischen Musikmarkt wurden veröffentlicht. In diesem Zeitraum wurden 98,3 Millionen Euro umgesetzt, was einem stolzen Umsatzplus von 15,5% im Vergleich zum ersten Halbjahr 2022 entspricht. Es wurden 8,6 Milliarden Songs gestreamt, was zu einem Marktanteil des Streamings von 83% führt. Der Umsatz mit Vinyl ist um 17% angestiegen, was einen Marktanteil von 5,5% ausmacht. Dieser Anstieg kompensiert beinahe den Rückgang bei den CDs, die noch einen Marktanteil von 8,6% besitzen.
  • Dieser Artikel von Billboard zeigt, dass sich früher vor allem die Industrie für die Charts interessiert und die Labels ihre Acts in die Charts pushen wollten. Inzwischen übernehmen jedoch immer häufiger Superfans diesen Job und das mit (fast) allen Mitteln.
  • Wired wirft einen Blick auf HipHop im Jahr 2073, wenn es seinen 100. Geburtstag feiern wird. Natürlich handelt es sich um Science Fiction, zweifellos ist diese beängstigend, aber irgendwie auch auf eine bestimmte Art und Weise auch hoffnungsvoll.
  • Dieses Jahr feiern wir HipHop und seine Legenden. Doch Billboard fragt sich, wer die zukünftigen Legenden sein werden und wer HipHop in den nächsten Jahren voranbringen wird. Dabei beschränken sie sich nicht nur auf Künstler*innen, sondern listen auch Songwriter*innen, Producer*innen und Leute, die hinter den Kulissen wirken, auf. Am Ende wird die Liste 50 Namen umfassen. Die ersten 10 gibt es hier.
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