Industry Groove – Woche 9

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2023 hätte das Jahr werden soll, in dem Web3 und NFTs einen großen Schritt in Richtung Mainstream unternehmen. Momentan sind diese Themen aber gerade etwas aus dem Fokus der Musikindustrie geraten, die sich mit neuen Streaming-Modellen und vor allem dem Thema AI auseinandersetzt.

Kommt bald die Innovation, die Web3 wieder in den Vordergrund rückt? Ihr erfahrt es natürlich hier. Diese Woche geht es aber erstmal um TikTok Bans, Snapchat und ChatGPT, den wachsenden deutschen Musikmarkt und abgeblasene Experimente von TIDAL.


Die EU, USA und Kanada verbietet ihren Mitarbeiter*innen TikTok

  • In den USA wurde schon verschiedentlich Staatsangestellten verboten auf ihren Geschäftshandys TikTok zu installieren. Nun ist dies auch in Europa angekommen.
  • Die europäische Kommission begründet dies mit Datenschutz und Cybersicherheit. Oder anders gesagt: die Daten sollen nicht an die chinesische Regierung gelangen.
  • Betroffen von diesem Verbot sind rund 32.000 Mitarbeiter*innen.
  • Die USA zogen sogleich nochmals nach, hier betrifft es nicht weniger als 4 Millionen Staatsangestellte. Auch Kanada schloss sich an.
  • Ich finde es immer wichtig, wenn Datenschutz ernst genommen wird. Aber hier ist die Doppelmoral unverkennbar, denn ansonsten hätte man längst auch alle Produkte von Meta, Google und Co. verbieten müssen. Ich will rein gar nichts an der chinesischen Regierung schönreden, es ist ein antidemokratisches Regime, welches seine Bürger*innen im besten Fall komplett überwacht und im weniger guten Fall, wie die Tibeter*innen und Uigur*innen, vollständig unterdrückt. Trotzdem ist es für mich keinen Deut besser, wenn meine Daten bei den US-Riesen und somit bei den verschiedensten Geheimdiensten der USA und ihren Partnern etwa in England landen.
  • Doppelmoral hin oder her, die Europäer folgen hier den USA und man muss sich schon fragen, ob dies ein weiterer Schritt dazu ist, TikTok im Westen ganz zu verbieten.
  • Genau dies versucht der „Deterring America’s Technological Adversaries Act“, dessen Initiant TikTok als „a spy balloon in your phone“ bezeichnet.
  • Wieso dieser Fokus auf TikTok scheinheilig ist, zeigt dieser starke Beitrag von Techdirt. Ja, es sei vielleicht nicht schlecht, wenn auf Firmenhandys kein TikTok installiert sei. Dies löse aber das eigentliche Problem nicht nämlich der generell viel zu lasche Umgang mit dem Datenschutz. Die chinesische Regierung braucht TikTok gar nicht, um an die Daten westlicher Konsument*innen zu kommen, die kann sie sich auch auf dem Markt mit Userdaten besorgen, den die Politik aber eben nicht regulieren will, einfach weil er viel zu lukrativ ist.

Snapchat integriert KI in Zusammenarbeit mit ChatGPT

  • Wie schon im Intro erwähnt, ist KI gerade in aller Munde und Snapchat hat schnell reagiert. Ab sofort integrieren sie einen Chatbot, „My AI“, genannt, der auf der neusten Version von ChatGPT basiert.
  • Verfügbar ist dieser für den Moment ausschließlich für die zahlenden Snapchat Plus Subscriber. Das Ziel sei aber, diesen für alle 750 Millionen Nutzer*innen verfügbar zu machen.
  • Neben Konversationen mit seinen Freunden, soll man zusätzlich also auch mit der KI plaudern können.
  • Die Version auf Snapchat ist jedoch etwas eingeschränkter und auf die Guidelines von Snap angepasst. Konkret ausgeklammert wird Fluchen, Gewalt, sexuelle Themen oder auch Politik.
  • Es wird spannend zu beobachten sein, in welcher Form andere Social-Media-Plattformen KI-Tools einbinden werden.

TIDAL beendet User-Centric-Experiment

  • Im Newsletter der Woche 5 hatte ich bereits erwähnt, dass sich TIDAL mit Universal auf die Suche macht nach einem besseren Streaming-Modell und dafür darauf verzichtet weiterhin User-Centric zu nutzen.
  • Nun gibt es einige weitere Infos dazu und die zeigen, dass der Abbruch des Experiments wohl nicht weiter schlimm ist.
  • Bei dem Versuch zahlte TIDAL 10% der Umsätze ihrer HiFi-Kund*innen an den meistgehörten Artist des jeweiligen Users aus. Es war also nur ein sehr begrenzter Test mit jeweils immer nur einem Artist pro User.
  • Während des ganzen Tests, der im November begann, wurden gerade mal 500.000 Dollar an rund 70.000 Artists ausgeschüttet.
  • Sie wollen die Kohle nun lieber in ihr Programm TIDAL Rising stecken und zwar gleich das zehnfache, also 5 Millionen.

Sollen Künstler*innen erst ab einem Schwellwert bezahlt werden?

  • Im Rahmen der Berichterstattung zur Diskussion über neue Streaming-Modelle hatte ich bereits über die Idee berichtet, dass man einen Schwellenwert einführen könnte, ab dem überhaupt erst Auszahlungen stattfinden.
  • Tatiana Cirisano formuliert dies in ihrem Artikel für MIDiA nun nochmals etwas genauer aus.
  • Im gegenwärtigen Pro-Rata-Modell geht ein gewichtiger Teil des Topfes an Artists mit sehr wenigen Streams. Die erhalten alle für sich genommen zwar sehr wenig, zusammengezählt ist es dann aber halt doch ein sehr hoher Betrag.
  • Cirisano schlägt deshalb vor, dass man einen Schwellwert einführt wie z.B. 1.000 Streams. Das könnte heißen, dass man erst ab 1.000 Streams bezahlt wird, oder auch, dass man jeden Monat mindestens 1.000 Streams auf einen Song erreichen müsste, um bezahlt zu werden.
  • Diese würde zwar sehr viele Artists betreffen, aber halt nur solche, die sowieso nicht viel mehr als ein Trinkgeld von Spotify ausgeschüttet erhalten.
  • Somit wäre ein großer Betrag zusätzlich vorhanden, um die Künstler*innen, die bereits ein höheres Level erreicht haben, besser zu vergüten.
  • Würde es das Streaming-System fixen? Nein. Wäre es komplett fair? Auch nicht. Aber dann wiederum vielleicht doch besser, als nach Audioqualität oder Songlänge zu sortieren. Darüber nachzudenken lohnt sich allemal.

Podcasts kommen zu YouTube Music

  • In naher Zukunft wird YouTube Music auch Podcasts im Angebot haben. Vorerst jedoch nur in den USA.
  • YouTube bietet somit zukünftig auch eine Lösung für diejenigen, die einen Podcast nicht anschauen, sondern nur hören wollen. Dies wird auch im Hintergrund möglich sein.
  • Damit positionieren sie sich noch stärker als direkten Konkurrenten von Spotify.
  • Im Gegensatz zu Spotify planen sie gegenwärtig keine eigenen Shows zu produzieren oder bekannte Podcasts zu lizenzieren.
  • Podcasts ist natürlich bereits jetzt ein großes Thema auf YouTube und generell beim Mutterkonzern Google. Einige gehen somit auch davon aus, dass Google Podcast in absehbarer Zeit eingestellt werden könnte.

Deutscher Musikmarkt setzt erstmals seit 20 Jahren mehr als 2 Milliarden um

  • Der Bundesverband Musikindustrie (BVMI) hat die Zahlen des Deutschen Musikmarktes für 2022 veröffentlicht. Zum vierten Mal in Folge können sie einen Anstieg vermelden.
  • Zudem knackten sie erstmals seit 2002 wieder die 2 Milliarden-Marke. Dies gelang somit erstmals in der Streaming-Ära.
  • Die 2,07 Milliarden bedeuten ein Wachstum von 6,1%, was weniger ist als in den letzten Jahren aufgrund des eher schwierigen Markumfelds aber wohl doch zufriedenstellend.
  • Das Streaming wuchs erneut um 14% und liegt mittlerweile bei 73,3%. Insgesamt sorgt das Onlinebereich für 80,3% der Einnahmen.
  • Das bedeutet aber auch, dass der physische Bereit weiterhin einen Fünftel ausmacht. Dies auch weil die CD sich als zweitwichtigster Umsatzgenerator halten konnte (12,9%), auch wenn es einen Rückgang von 17,1% gab.
  • Der Aufstieg von Vinyl hat etwas gebremst und lag noch bei 5,1% damit trug die Schallplatte 6% zum Gesamtumsatz bei.

Wie unterscheiden sich die Musikmärkte Deutschland und USA?

  • Die USA ist der weltweit wichtigste Musikmarkt, Deutschland immerhin der viertwichtigste. Doch was unterscheidet die beiden und wo gibt es Gemeinsamkeiten?
  • Ein Unterschied ist natürlich, dass die USA das Streaming viel schneller adaptiert hat. 2015 betrug der Umsatz physischer Tonträger in Deutschland noch 70% als er in den Staaten bereits auf 24% gesunken war.
  • Heute sind die Unterschiede viel, viel kleiner. In den USA beträgt der Marktanteil des Streamings 84%, in Deutschland immerhin schon 73%.
  • Grösser ist der Unterschied bei den effektiven Umsätzen mit Streaming. Die betrugen in den USA im ersten Halbjahr 22,13 Milliarden und in Deutschland 1,5 Milliarden. Dies überrascht um so mehr als ein anderer Artikel aufzeigt, dass in den USA ein Drittel der User ein Freemium-Abo nutzen.
  • Mit 20% ist der Anteil physischer Tonträger in Deutschland aber noch immer viel höher als in den USA (13%). Dies liegt vor allem an den CDs, die in Deutschland noch immer zwei Drittel der physischen Verkäufe ausmachen. In den USA ist es genau umgekehrt, hier trägt Vinyl zwei Drittel bei und die CDs nur noch einen Drittel.
  • In den USA machen hingegen Downloads mehr Umsatz als CDs, während diese in Deutschland mit 2,5% Marktanteil praktisch völlig irrelevant sind.

Bonus Reads

  • Billboard fasst hier nochmals gut zusammen, was TikTok in Australien genau testet und wieso sie für eine gewisse Anzahl User die Musiker der Majors entfernt hat. Die Musik wird hier definitiv zu einem Spielball von Verhandlungen und das von einer Firma die von sich sagt: „Music is at the heart of the TikTok experience“. Mag sogar stimmen, bei den Ausschüttungen an Künstler*innen aber definitiv nicht.
  • Bislang hörte man vor allem von Katalogverkäufen von großen Pop- und Rockstars. Doch zuletzt wuchs auch immer mehr das Interesse an den Katalogen von HipHop-Artists, wie dieser Artikel von Billboard zeigt.
  • Und gleich nochmals das Billboard Magazine. In diesem Artikel geht es um AI-Musik und die Möglichkeit, dass irgendwann Millionen von Songs jeden Monat auf die Streamingplattformen fließen. Dies wären dann hauptsächlich Releases im Bereich „Functional Music“, die gemacht sind für passives Hören. Dieser Bereich soll heute bereits für 120 Milliarden Streams jährlich sorgen (zum Vergleich: Taylor Swift macht 8 Milliarden Streams jährlich). Das ist wohl nicht die Zukunft wie sie sich Universal CEO Lucian Grainge vorstellen möchte.
  • Ich hatte es bereits angekündigt, nun ist es geschehen: The Weeknd ist der erste Künstler, der auf Spotify mehr als 100 Millionen monatliche Hörer*innen hat. Dies bedeutet, dass rund jeder fünfte Spotify-User im letzten Monat einen seiner Songs gehört hat (und ich bin keiner davon). Der kurze Music.Ally-Artikel beleuchtet, wie es dazu kam.
  • Zum Abschluss noch dies: Meine und vielleicht auch deine Lieblingskultur feiert dieses Jahr ihren 50. Geburtstag. Aus diesem Anlass hat einer der besten, der je ein Mic berührt hat, The Roots MC Black Thought, einen Liebesbrief an HipHop in Reimform aufgenommen. Happy Birthday HipHop!
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