Industry Groove – Woche 4

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2022 habe ich oft über Entlassungen geschrieben und damals bereits vermutet, dass sich dies im neuen Jahr nicht ändern wird. Ich sollte, wenig überraschend, recht behalten. Den Anfang machte Microsoft (10.000 Leute) kurz darauf folgte Google, die 6% ihrer Mitarbeiter*innen entlassen, was rund 12.000 Menschen entspricht. Und schließlich Spotify, die sich ebenfalls von 6% der Belegschaft trennen, was in ihrem Fall rund 600 Menschen sind. Auf Spotify gehe ich weiter unten noch detaillierter ein, bleiben wir daher noch kurz bei Google.

Wie so viele Tech-Firmen ist auch Google während der Pandemie zu schnell gewachsen. Als Firma wollen sie nun also gesundschrumpfen, im Bereich KI kann das Wachstum aber scheinbar nicht schnell genug vorangehen. Gemäß einem Artikel von The Verge wird Google dieses Jahr, als Antwort auf ChatGPT, womöglich nicht weniger als 20 KI-Produkte lancieren. Die internen Berichte über die Mängel ihrer KI? Scheinen nicht mehr relevant zu sein. Generell bin ich immer wieder erstaunt, wie völlig gedankenlos praktisch alle und jeder die “kostenlosen“ Produkte von Google nutzt, ohne jemals die Methoden des Konzerns und dessen unglaubliche Macht zu hinterfragen. Als hätte es Edward Snowden und zahlreiche weitere Enthüllungen nie gegeben. Die Produkte sind halt so praktisch, da will man es nicht so genau wissen…

Wer doch etwas genauer hinschauen möchte, dem ich empfehle ich die Artikelserie des von mir sehr geschätzten Schweizer Online-Magazins Republik, die einen kritischen Blick auf den Tech-Giganten werfen. Dies nicht zuletzt deshalb, weil Zürich nach dem Silicon Valley der zweitgrößte Standort von Google ist und man dies zum Beispiel an den munter steigenden Mieten zu spüren bekommt. Die ersten sechs Teile der neunteiligen Serie sind bereits erschienen und können hier gelesen oder angehört werden.


Spotify entlässt rund 600 Mitarbeiter*innen

  • Wie im Intro bereits erwähnt, entlässt Spotify 6% ihrer Belegschaft. Zudem kommt es auch in der Chefetage zu einigen Änderungen.
  • Daniel Ek schreibt an die Mitarbeiter*innen, dass die Betriebskosten doppelt so schnell gewachsen seien wie der Umsatz, was natürlich nicht tragbar sei, schon gar nicht in diesem schwierigen wirtschaftlichen Umfeld.
  • Allerdings ist nicht alles der momentanen wirtschaftlichen Lage geschuldet, wie dieser großartige Deep-Dive von MBW zeigt. Spotify und allen voran Daniel Ek haben auch zahlreiche Fehler gemacht. Die Kurzfassung: 1. Übertriebene Ausgaben für Personal, Verkauf und Marketing. 2. Zu hohe Ausgaben für die Podcast-Strategie, die bislang nicht aufgeht. 3. Die hartnäckige Weigerung endlich die Abopreise zu erhöhen. Ein Must-Read würde ich das nennen.
  • Es wird spannend zu beobachten sein, wie die Börse reagiert (momentan, wie eigentlich immer bei Entlassungen, noch positiv). Wie ich bereits einmal erwähnt habe, könnte Spotify aufgrund des sinkenden Kurses zu einem Übernahmekandidaten werden. Ein Name der öfters fällt, ist Microsoft, die es nicht geschafft haben, selbst einen erfolgreichen Streamingdienst aufzubauen.
  • Spotify ist in bester Gesellschaft. Gemäß einer Erhebung sollen in den letzten Monaten 173 Tech-Firmen insgesamt 56.000 Arbeiter*innen entlassen haben.

Amazon Music erhöht Preise

  • Langsam aber stetig steigen die Preise fürs Streaming. Nach Apple Music und YouTube hat nun auch Amazon Music eine moderate Preiserhöhung verkündet.
  • Konkret steigen die Preise in den USA, UK, Kanada, Deutschland und Japan und zwar von den notorischen 9.99 auf 10.99 (Dollar, Pfund oder Euro). Neben dem individuellen Abo erhöht sich auch der Preis des Unlimited Student Plan von 4.99 auf 5.99.
  • Nun stellt sich wie oben erwähnt die Frage, ob Spotify endlich mitzieht. Nicht wenige gehen aber davon aus, dass Spotify die Erhöhung so lange wie nur möglich herauszögert und versucht von den Preiserhöhungen der Konkurrenz zu profitieren. Ob dem wirklich so ist und wenn ja, ob dieser Plan auch aufgeht, wird sich zeigen.
  • Wieso es Preiserhöhungen braucht und wieso diese eigentlich viel höher ausfallen müssten, habe ich in diesem Artikel dargelegt. Spotify hält an den 9.99 seit 2008 (Europa und UK) bzw. 2011 (USA) fest. Seither wuchs die Inflation in den USA um 30,1% und in Europa um 31.1%. Somit verdienen Artists und Labels fast einen Drittel weniger an jedem Spotify Subscriber. Um nur schon die Inflation auszugleichen, müsste der Preis eigentlich auf 12.99 steigen.

Wieso Universal kein User-Centric will und was Artist-Centric meinen könnte

  • Das bisherige Top-Thema des Jahres ist die Forderung eines neuen Streaming Modells seitens Universal Music. Allerdings haben sie bislang nicht wirklich konkret dargelegt, wie sie sich dieses System vorstellen und was sie sich mit Artist-Centric genau meinen.
  • Die Wortwahl zeigt schon mal klar, dass Universal keinen Wechsel zum User-Centric-Modell unterstützt, welches von SoundCloud und Tidal bereits (teilweise) eingesetzt wird.
  • Weshalb, dem so ist, kann natürlich nur spekuliert werden. Music.Ally vermutet, dass es mehrere Faktoren sind. Etwa, dass auch das User-Centric-Modell, genau so wie das bestehende Pro-Rata, seine Schwachstellen hat. Dann haben Analysen gezeigt, dass gerade HipHop Verluste hinnehmen müsste bei einem Wechsel zu User-Centric und Universal sehr viele Rap-Artists unter Vertrag hat.
  • Anders als bislang vermutet, geht Music.Ally jedoch davon aus, dass Universal bei User-Centric sogar besser dran wäre als bislang oder zumindest gleichgut. Ihre größeren Acts würden wohl verlieren, dafür solche aus dem Mittelfeld dazugewinnen.
  • Music.Ally glaubt weiter, dass Universal kein fixes Artist-Centric-Modell erstellt hat, sondern sie hoffen, dass jeder DSP dieses anhand ihrer Strategie anwendet.
  • Sie sehen es positiv und hoffen, dass Artist-Centric eine Weiterentwicklung von User-Centric darstellen könnte und man auf dem Weg ist zu einem Modell, auf welches sich die gesamte Branche als nächsten Schritt für die Streaming-Wirtschaft einigen kann. Es bleibt zu hoffen!

TikTok: Nicht nur Algorithmus und User entscheiden, was viral geht

  • Wer geglaubt oder gehofft hat, es sei einzig der großartige Algorithmus von TikTok der entscheidet, was im „For You“ Feed angezeigt wird, wird enttäuscht.
  • Enthüllungen zeigen, dass dies nicht alles so demokratisch zu und her geht, wie das sich viele erträumt haben. TikTok kann intern Videos auswählen und dafür sorgen, dass sie viral gehen. Sie nennen dies „heating“.
  • Konkret können TikTok-Mitarbeiter*innen in den Algorithmus eingreifen und so gezielt Videos in die Feeds der User pushen. Die totale Anzahl der „geheateten“ Videos soll rund 1-2% betragen. Das mag nach wenig klingen, ist aber definitiv ein nicht zu unterschätzender Eingriff.
  • Das Heating soll vor allem dazu genutzt worden sein, um Influencer und Brands zu pushen, mit denen TikTok Geschäftsbeziehungen anstrebte.
  • Das ist alles schon ziemlich shady noch schlimmer ist aber, dass die Funktion offenbar auch von Mitarbeiter*innen von TikTok genutzt wurde, um ihre eigenen Videos oder diejenigen von Freunden zu pushen.
  • Aus Sicht der User bedeutet dies: die Videos, welche angezeigt werden, sind nicht zwingend nur die, von denen der Algorithmus denkt, sie würden dir gefallen.

Deutscher Musikmarkt: Anzahl Streams wächst

  • Der Bundesverband Musikindustrie (BVMI) und die GfK haben einen ersten Trendbericht für 2022 veröffentlicht.
  • Gemäß diesem wuchs die Zahl Audiostreams in Deutschland von 165 Milliarden (2021) auf 178 Milliarden (2022) also um 8%.
  • Während man ansonsten vor allem lesen kann, dass neue Musik stetig an Marktanteilen verliert, interpretiert der BVMI die Zahlen anders. Für sie ist klar, dass aktuelle Musik klar im Vordergrund steht. Unter dem Strich ist es wohl die Frage, wie man aktuell definieren will.
  • 47% aller Streams entfallen auf Musik, die zwischen 2020 und 2022 releast wurde. Weitere 35% stammen aus den 2010er-Jahren. Die 2000er bringen es auf 8%, die 90er auf 4% und je 3% entfallen auf die 80er und die Zeit davor.
  • Das beliebteste Genre ist mit einem Anteil von 28% Pop gefolgt von HipHop mit 23%. Es folgen Rock mit 14% sowie Dance und Family mit je 13%. Im physischen Bereich dominiert Rock vor Pop und Schlager.

Bonus Reads

  • Music.Ally hat den Guide für Marketing im 2023 veröffentlicht und dafür mit zahlreichen Fachleuten aus der Musikbranche gesprochen.
  • Geht Twitter bald Konkurs? Gemäß einem Artikel des Guardians könnte dies durchaus eintreffen.
  • Es schien bereits als würden sich die Katalogverkäufe etwas abkühlen und vor allem Hipgnosis geriet in die Schlagzeilen, da sie länger keine Deals mehr geschlossen hatten. Well, dies ändert sich und zwar mit dem Kauf des Katalogs von Bieber für vermutlich 200 Millionen. Damit ist Justin einer der wenigen Künstler, der nicht als Legacy-Act bezeichnet werden kann, der seinen Katalog verhökert. Und als 28-jähriger hat er womöglich noch eine sehr lange Karriere vor sich.
  • Interessanter Beitrag von Trapitals Dan Runcie zu den Ambitionen von YouTube der wichtigste Partner der Musikindustrie zu werden.
  • Rap-Veteran Papoose macht sich ab sofort für TuneCore auf die Suche nach neuen HipHop-Talenten. Als Head of HipHop wird der MC aus Brooklyn direkt an CEO Andreea Gleeson rapportieren.
  • OK Boomer – die Rolling Stones sind nun auch auf TikTok (und verführen das Music.Ally-Team zu einigen Wortspielen).

Schöne Grüße aus Google-Zürich,
Fabian

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