Industry Groove – Woche 15

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Schön, dass du da bist! Herzlich willkommen zur ersten Ausgabe des Industry Groove Newsletters. Ab sofort fasse ich hier wöchentlich die wichtigsten Meldungen aus der Musikindustrie zusammen und liefere die passenden Links für alle, die sich in ein Thema vertiefen möchten.

Kurz zur Entstehungsgeschichte dieses Newsletters: Alles begann im Juni 2022 mit der Idee, einen internen Newsletter für die Mitarbeiter*innen von iGroove zu erstellen, damit diese keine wichtigen Entwicklungen in der Musikbranche verpassen. Da ich bereits die Artikel für das iGroove Magazin schrieb und somit stets die einschlägigen Websites durchforstete, war es klar, dass dies mein Job sein würde. Bald traf dies ein, worauf ich von Beginn an heimlich gehofft hatte: Das Feedback auf den Newsletter war so gut, dass wir beschlossen haben, ihn für alle zugänglich zu machen. Und hier sind wir nun. Alle 2023 veröffentlichten internen Newsletter können übrigens ab sofort im iGroove Magazin nachgelesen werden.

Bald ist bereits ein Drittel des Jahres 2023 vorbei, und in diesen ersten fast vier Monaten haben vor allem zwei Themen die Musikindustrie geprägt. Zum einen ist dies die von Universal Music CEO Lucian Grainge angestoßene Diskussion über ein neues Streaming-Modell. Wir leben momentan mit dem Widerspruch, dass das Streaming zwar die wichtigste Einnahmequelle und der stärkste Wachstumsgenerator ist, sich gleichzeitig aber auch die Krisensymptome mehren. Welche Dringlichkeit das Thema hat, zeigt sich nur schon an den Themen dieses Newsletters.

Die zweite dominierende Thematik ist wenig überraschend KI, also künstliche Intelligenz. Die rasante Entwicklung im Bereich der KI hat dazu geführt, dass Themen wie Web3, Metaverse oder auch NFTs eher in den Hintergrund geraten sind. Natürlich sind diese weder verschwunden noch irrelevant, das Momentum liegt aber gerade eindeutig nicht im Metaverse, wie auch der Beitrag zu Decentraland zeigt.

Nun aber ohne weitere Umwege zu den Themen der Woche.


Wie könnte ein neues Streaming-Modell aussehen?

  • Wie im Intro bereits erwähnt, dominiert das Thema „neues Streaming-Modell“ bislang das Jahr. Vieles ist geschehen und um eine Übersicht zu verschaffen, habe ich in diesem Artikel das Wichtigste zusammengefasst.
  • Der Beitrag beleuchtet, weshalb die Majors, allen voran Universal, nun plötzlich ebenfalls nach einem neuen Streaming-Modell verlangen.
  • Weiter wird aufgezeigt, wie das bisherige System und die bislang meistdiskutierte Option User-Centric funktionieren.
  • Schließlich präsentiere ich neun weitere mögliche Modelle, über die gegenwärtig gesprochen wird.

Preiserhöhungen würden zu starken Mehreinnahmen führen

  • Von vielen Künstler*innen und Labels wird schon länger gefordert, dass die DSPs, allen voran Spotify, ihre Preise erhöhen. Nun ertönt diese Forderung auch immer deutlicher von den Major Labels.
  • Gerade weil das Wachstum beim Streaming vielerorts sinkt oder stagniert, wird verlangt, dass Spotify dem Vorbild von Apple Music und Amazon Music folgt und seine Preise in den USA und anderen wichtigen Märkten anhebt.
  • Barclays schätzt, dass eine Preiserhöhung um 10% bei allen DSPs den Gewinn je Aktie der Universal Music Group um 13% steigern und jährlich 400 Millionen Euro (430 Millionen Dollar) an Einnahmen und 240 Millionen Euro (258 Millionen Dollar) an Bruttomarge einbringen würde. Dieselbe Preiserhöhung würde zudem den Gewinn je Aktie der Warner Music Group um 21% steigern und einen zusätzlichen Umsatz von 256 Millionen Dollar und eine Bruttomarge von 158 Millionen Dollar bringen.
  • Die Analysten von JPMorgan Chase schätzen, dass eine Preiserhöhung von Spotify zu jährlichen Mehreinnahmen von 200 Millionen Dollar führen würde.
  • Spotify scheint den Fokus aber weiterhin stärker auf das Wachstum der Subscriber und weniger auf die Umsatzsteigerung zu legen. Man darf gespannt sein, wie lange die Aktionär*innen und die Labels diesem Spiel noch zuschauen.

Millennials wünschen sich eine andere Streaming-Erfahrung

  • In letzter Zeit wurde oft diskutiert, dass Streaming-Dienste Probleme haben, die Generation Z zu erreichen. Einige der jüngsten Anpassungen der DSPs waren explizit auf junge Konsument*innen ausgerichtet.
  • Wie MIDiA nun berichtet, scheint es aber auch ein Problem mit einer anderen Generation zu geben: den Millennials. Dabei galten diese eigentlich als das Fundament der Streamingindustrie.
  • In ihrem neuesten Report fokussieren sie sich auf die 25-34-Jährigen in den USA. Sie zeigen, dass diese Altersgruppe die wertvollste, aber auch die bedrohteste für die Musikindustrie ist.
  • Die Millennials sind die Generation, die am meisten Zeit und vor allem auch Geld in Musik investiert. Sie sind zudem die Altersgruppe, die die Umstellung von physischen Produkten auf das Streaming miterlebt hat und stärker als erwartet an den alten Medien hängt.
  • Fast die Hälfte aller Befragten gab an, dass sie eher ein Musik-Streaming-Abo kündigen würden als ein Film-Abo.
  • Außerdem möchten mehr als die Hälfte, dass ihnen Menschen und nicht Algorithmen Musik vorschlagen. Sie wünschen sich auch mehr soziale Elemente auf den DSPs, wie mehr Tools für ihre Profilseite oder Messaging-Funktionen.
  • Man spürt, anders als bei der Gen Z, dass sich die Millennials dagegen sträuben, völlig passive Musikkonsument*innen zu werden, was beim Streaming fast zwangsläufig der Fall ist.
  • Für die DSPs wird es nun enorm schwierig, die ziemlich unterschiedlichen Bedürfnisse der beiden wichtigsten Altersgruppen unter einen Hut zu bringen.

Universal Music geht gegen KI-Musik auf den DSPs vor

  • Universal Music will nicht nur in Sachen Streaming-Modell den DSPs die Richtung vorgeben, sondern auch im Bereich der KI-generierten Musik. Dies enthüllte die Financial Times.
  • So soll Universal die DSPs in einer E-Mail aufgefordert haben, ihren Katalog für alle Entwickler von KI-Technologien zu sperren, die die Musik für das Trainieren der künstlichen Intelligenz nutzen.
  • Weiter hat Universal zahlreiche Takedown-Anfragen gesendet mit der Begründung, dass diese Musik mit urheberrechtlich geschützten Inhalten trainiert wurde, ohne die Zustimmung der Rechteinhaber*innen.
  • Universal Music mischt sich somit in die bereits intensiv geführte Copyright-Debatte ein, die eigentlich schon viel früher hätte geführt werden sollen und nun wohl zahlreiche Gerichte beschäftigen wird.
  • Die DSPs hüllen sich bislang in diplomatisches Schweigen.

Wieso KI-Musik momentan keine Bedrohung für etablierte Labels darstellt

  • Universal Music sieht KI-Musik ganz offensichtlich als Bedrohung und man muss sich natürlich fragen, wie weit das alles noch gehen wird, wenn man sich z.B. anschaut, wie einfach man einen Song mit der Stimme von Kanye produzieren kann. Was auch nicht hilft: Erste Bankanalysten korrigieren die Bewertung der Universal-Aktie nach unten, explizit mit der Begründung, dass KI-Musik eine Bedrohung für ihr Geschäftsmodell darstellt.
  • Die Analysten von MBW sehen jedoch vorerst keine Bedrohung für etablierte Labels. Die entscheidende Frage sei nämlich nicht, wie viel KI-Musik die DSPs flutet, sondern wie oft sie auch gehört wird (eigentlich logisch, geht aber manchmal trotzdem vergessen).
  • Im Jahr 2022 verloren die drei Majors plus Merlin (ein Zusammenschluss zahlreicher Independent Labels und Vertriebe, darunter auch iGroove) 2% Marktanteil bei Spotify. Seit 2017 sind es 12%, was natürlich zum jüngsten Aktionismus der Majors beiträgt.
  • Auch wenn dies für die großen Firmen keine erfreuliche Entwicklung ist, muss man einen Schritt zurück machen und das große Bild betrachten.
  • Täglich werden im Schnitt 98.500 Songs auf die DSPs geladen und beinahe 50% der rund 100 Millionen Songs auf Spotify und Co. wurden in den letzten drei Jahren veröffentlicht. Eine Flut von Releases wird also nicht mit KI-Musik kommen, diese Flut ist bereits hier.
  • Nur gerade 4% aller veröffentlichten Songs stammen von den Majors und trotzdem behaupten sie ihren Marktanteil mehr oder weniger. So gesehen ist ein Verlust von 2% nicht viel.
  • Denn die Musik der Majors wird gehört, was man von vielen anderen Releases nicht behaupten kann. 42% oder 67,1 Millionen Songs wurden 2022 auf Spotify weniger als 10 Mal gespielt, 38 Millionen oder 24% wurden im gesamten Jahr kein einziges Mal gestreamt.
  • Spotify erklärt deshalb auch, dass es nur 200.000 professionelle Acts auf ihrer Plattform gibt, das sind nur gerade 2,2% aller Artists auf Spotify. Diese 2,2% sind für nicht weniger als 95% der ausbezahlten Royalties verantwortlich.
  • MBW ist daher der Meinung, dass KI-Musik momentan, wenn überhaupt, eine Bedrohung darstellt für Functional Music, als Sounds fürs Einschlafen, Trainieren oder Lernen.

Decentraland: Interesse sinkt weiter

  • Im Intro habe ich bereits erwähnt, dass die Entwicklungen im Metaverse zwar weiterhin vorangehen, der Hype jedoch gerade ziemlich abgeflacht ist. Dies zeigt sich auch an den neuesten Meldungen rund um Decentraland.
  • Eines ihrer größten Events ist die Metaverse Fashion Week, an der sich auch große Brands wie Dolce & Gabbana oder Tommy Hilfiger beteiligen.
  • Im letzten Jahr nahmen 108.000 Menschen an der Fashion Week teil, dieses Jahr waren es gerade mal 26.000.
  • Ein weiteres Beispiel: Der Verkauf von virtuellem Land im Decentraland erreichte seinen Peak 2021 mit einem Handelsvolumen von einer Million Dollar pro Woche. Diese Zahl ist nun auf 50.000 Dollar abgesackt.
  • In einem anderen Artikel zeigt Techdirt auf, dass das Interesse junger US-amerikanischer Konsumenten generell überschaubar bleibt.
  • 27% besitzen ein VR-Headset und nur 7% planen, in absehbarer Zeit eines zu kaufen.
  • Die Verkäufe der VR-Headsets sanken 2022 in den USA um 2% und weltweit sogar um 12%.

Wo sind die Zahlen, um Labels zu bewerten und vergleichen?

  • Jeder, der will, kann heutzutage anhand von Zahlen wie Streams, monatlichen Hörern, Followern, Likes und so weiter bewerten, wie erfolgreich ein Artist unterwegs ist. Und ohne die richtigen Zahlen erhält man mittlerweile kaum noch einen Plattenvertrag.
  • Der Artikel von MIDiA fragt nun, wo denn eigentlich die Zahlen sind, anhand welcher man die Performance eines Labels bewerten kann. Dies würde Künstler*innen bei der Entscheidung helfen, ob ein Plattenvertrag wirklich das Richtige für sie ist und falls ja, welches Label am besten zu ihnen passt.
  • Was wären mögliche Messwerte? Zum Beispiel das Verhältnis zwischen Signings und Erfolgen, die Treue der Artists gegenüber einem Label und ob sie ihre Verträge verlängern. Wie performen die Labels im Vergleich zueinander? Wie unterscheidet sich die Performance von Indie-Labels von der von Vertrieben?
  • Natürlich erfährt man stets von den Erfolgen der Labels. Aber wie sieht es aus mit den Fehlleistungen, den gedroppten Künstlern, den verpatzten Albumkampagnen?
  • Nun stellt sich die Frage, wer solche Daten bereitstellen könnte. Als erstes sehen sie Spotify oder andere DSPs, da diese alle Streamingdaten verfügbar haben.
  • Weitere Optionen wären ROSTR oder die Firmen, welche die Charts erheben. Jedoch sind diese wohl zu stark mit den Majors verbandelt.

Bonus Reads

  • Spotify hat die App Spotify Live eingestellt, was nur ein weiterer Beweis für das massiv schwindende Interesse an Social Audio Apps ist – ein kurzfristiger Hype, der von Clubhouse losgetreten wurde. Wie es im Live-Audio-Bereich nun weitergehen wird, beleuchtet dieser Artikel von MIDiA. Kurzfassung: Live-Audio ergibt als Feature deutlich mehr Sinn als als Standalone-Produkt.
  • Metadaten sind nicht sexy und werden daher oft stiefmütterlich behandelt. Doch wie der Artikel von Billboard zeigt, könnten sie zum Umsatzwachstum beitragen.
  • In den ersten drei Monaten dieses Jahres wurden weltweit eine Billion Songs gestreamt. So schnell wie 2023 wurde die Billionen-Marke noch nie geknackt. Zählt man alle User zusammen, wurden 960.000 Jahre Musik gehört.
  • Complex hat eine Liste erstellt mit den 25 mächtigsten Persönlichkeiten in der (amerikanischen) HipHop-Medienlandschaft.
  • Hootsuite präsentiert uns eine unterhaltsame Übersicht über die Geschichte von Social Media, beginnend bei SixDegrees und Myspace bis hin zu BeReal.
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