Industry Groove – Woche 10

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Letzte Woche schrieb ich Intro darüber, dass KI momentan auch in der Musikindustrie das wohl meistdiskutierte Thema ist. Dies reflektiert sich auch in diesem Newsletter. Doch nicht immer ist die Begeisterung groß, wie etwa die mehrheitlich negativen Feedbacks für den KI-DJ von Spotify zeigen. Außerdem findet ihr in diesem Newsletter Texte dazu, wie KI Social Media zu einem Monster machte oder auch wie ChatGPT einen sehr lebendigen Herrn für Tod erklärte, was jetzt wohl lustiger klingt, als es effektiv ist. Neben diesen eher kritischen Tönen, die unbedingt auch erlaubt sein müssen, gibt es zudem einen überaus empfehlenswerten Deep Dive zu KI in der Musikindustrie.

Gestern Abend ging zudem der mit viel Spannung erwartete Stream On Event von Spotify über die Bühne und auch von dort gibt es einiges zu berichten. So hat Spotify ein eigenes Pre-Save-Feature lanciert, den Einsatz von Videos ausgeweitet und zudem Discovery Mode deutlich mehr Künstler*innen verfügbar gemacht. Alle Neuigkeiten findet ihr gleich zu Beginn des Newsletters.


Spotify lanciert Pre-Save-Feature sowie Discovery Feed und weitet Discovery Mode aus

  • Discovery Feed: Diese Info war bereits vor dem Event geleakt, ist also keine wirkliche Überraschung. Der vertikale Feed im TikTok-Stil wird auf der Spotify-Startseite prominent zu finden sein und soll den Usern bei der Entdeckung neuer Musik behilflich sein.
  • Pre-Save-Feature: Lange wurde es verlangt, nun ist es da. Spotify führt einen Pre-Save-Button ein, der es den Fans auf einer sogenannten Countdown Page ermöglicht einen Song schon vor dem Release vorzumerken. Sie erhalten zudem von Spotify eine Push-Benachrichtigung am Releasetag. Auf der Contdown Page werden die Fans den Song auch previewen können, man sieht die Tracklist und kann exklusive Videoclips anschauen sowie Merch vorbestellen.
  • Spotify Clips: Nicht nur auf der Countdown Page werden Artists Videos hochladen können, sondern auch auf ihre Profilseite sowie die Seite eines Albums. Das gibt ihnen z.B. die Möglichkeit über die Hintergründe eines Releases zu erzählen.
  • Discovery Mode: Alle Artists, deren Vertrieb sich an Discovery Mode beteiligen, können ihre Songs neu selbst über Spotify for Artists einreichen.
  • Schließlich wird auch die Sichtbarkeit von Konzerttickets und Merch ausgebaut, zukünftig werden diese nicht einzig auf dem Künstlerprofil ersichtlich sein, sondern z.B. auch auf dem „Now Playing“-Screen.
  • Es wurde also einiges angekündigt, manches aber halt auch nicht. So hat Daniel Ek weiterhin keine Preiserhöhung beschlossen und es gab auch kein Update zu Spotify HiFi. Langsam aber sicher dürften sich alle fragen, worauf Herr Ek eigentlich genau wartet.

Das Loud & Clear Update mit den neusten Zahlen

  • Passend zum Stream On Event wurde auch die Loud & Clear Website aktualisiert und mit den neusten Zahlen gefüttert.
  • Es gibt unterdessen 914.000 Songs, die mehr als 1 Million Streams haben. 133.000 knackten die 10 Millionen Marke, 13.000 haben über 100 Millionen Streams und zum Milliardärs Club gehören 360 Tracks.
  • 1.060 Artists erhielten 2022 über eine Million von Spotify ausgeschüttet (bzw. ihr Label / Vertrieb). Von den 9 Millionen Acts auf Spotify erhielten 57.000 mehr als 10.000 Dollar, ein Viertel davon sind DIY-Artists. Über 10.100 Artists generierten über 100.000 Dollar, diese Künstler*innen stammen aus über 100 Ländern.
  • 95% der gesamten Auszahlungen gehen an 200.000 Künstler*innen, diese sind jedoch nur für 15% der hochgeladenen Songs verantwortlich.
  • Spotify hält deshalb auch weiterhin daran fest, dass auf ihrer Plattform rund 200.000 professionelle Künstler*innen zu finden seien. Was davon zu halten ist, habe ich in diesem Artikel beleuchtet.
  • Insgesamt habe Spotify schon bald über 40 Milliarden an die Musikindustrie ausgeschüttet.

TikTok: Paywall-Feature lanciert und Risiko von möglicher Sperrung steigt

  • Ich hatte es bereits angekündigt, nun ist es offiziell: TikTok bietet seinen Usern eine weitere Einnahmemöglichkeit mit der Paywall.
  • Das neue Programm heißt „Series“ und bietet die Möglichkeit Collections mit bis zu 80 Videos hinter die Paywall zu verfrachten.
  • Was ebenfalls neu ist: die Videos können bis zu 20 Minuten lange sein.
  • Den Preis für die Collection können die Creator selbst festlegen, er muss jedoch zwischen 1$ und 190$ liegen.
  • Bislang ist die Paywall-Option nur für ausgewählte Creator freigeschaltet, in den kommenden Monaten soll es jedoch die Möglichkeit geben sich dafür zu bewerben.
  • Diese eigentlich erfreuliche News tritt aber ziemlich in den Hintergrund, da die Sperrung von TikTok in den USA immer wahrscheinlicher wird.
  • Die US-Politiker überbieten sich förmlich mit Gesetzesvorlagen, sodass man leicht die Übersicht verlieren könnte. Die neuste trägt den Namen RESTRICT Act und anders als vorherige Vorstöße, genießt sie auch die Zustimmung der Biden-Administration.
  • Die Vorlage will der Regierung die Befugnis geben, Maßnahmen (auch Verbote) gegen Technologiefirmen in ausländischem Besitz zu erheben, wenn die ein Risiko für die nationale Sicherheit darstellen.
  • Es hilft vermutlich auch nicht unbedingt, wenn Chinas Staatschef Xi Jinping nun private chinesische Firmen (wie ByteDance) dazu aufruft, an der Seite der Kommunistischen Partei gegen die westliche Unterdrückung zu kämpfen.
  • Einige sehen dies nur als Muskelspiele der USA gegenüber TikTok und China, für andere scheint die Sperrung schon mehr oder weniger beschlossene Sache und sie empfehlen allen sich bereits nach neuen Plattformen für ihre Marketing-Aktivitäten umzuschauen. I‘ll keep you posted!

Universal sucht nun auch mit Deezer das neue Streaming-Modell

  • Wie ich berichtete, hatte sich Universal Music TIDAL ausgesucht, um sich auf die Suche nach einem besseren Streaming-Modell zu machen. Nun gaben sie eine weitere Partnerschaft bekannt und zwar mit einem weiteren DSP mit überschaubarem Marktanteil: Deezer.
  • Interessanterweise verkündete der Deezer CEO kürzlich in einem Interview, weiter auf das User-Centric-Modell hinarbeiten zu wollen (da ist er sich mit Universal nicht einig) und dass das Pro-Rata-Modell ausgedient habe (hier hingegen schon).
  • Nun machen sie sich also dazu auf ein neues, besseres System zu finden. Es wird nicht nur interessant zu beobachten sein, was dabei herauskommt, sondern auch, ob das Ergebnis bei TIDAL und Deezer dasselbe sein wird, oder ob Universal tatsächlich für jeden DSP ein spezifisches Modell vorschwebt.
  • Universal lobte außerdem Apple und Amazon für ihre Preiserhöhungen und setzen damit natürlich wenig subtil Spotify unter Druck, endlich nachzuziehen.

Ist ChatGPT eine Gefahr?

  • Bei all dem Hype um ChatGPT darf hier auch mal ein kritischer Artikel Platz haben. Und die Kritik kommt nicht unbegründet. ChatGPT erfand nämlich den Tod des Schreibenden und belegte dies mit gefälschten Medienlinks.
  • Das führt natürlich direkt zu dem Punkt, dass die meisten alles als die Wahrheit betrachten, was der Chatbot ausspuckt. Denn wieso sollte Künstliche Intelligenz lügen?
  • Weiter sieht der Autor Probleme bei Privatsphäre und Datenschutz, da ChatGPT völlig unbekümmert alle im Internet verfügbaren Informationen über jede und jeden von uns verwendet.
  • Noch entscheidender ist aber, dass sich ChatGPT viel zu leicht manipulieren lasse.
  • Da diverse Leute ChatGPT sagten, der Autor sei überhaupt nicht tot, behauptet der Chatbot dies nun auch nicht mehr. Natürlich kann dieses Spielchen aber auch umgekehrt gespielt werden und der Autor denkt dabei vor allem an Staaten wie Russland, Iran oder China, die alle bereits bekannt sind für Online-Manipulationen.
  • Sein Fazit: ChatGPT ist eine Gefahr und muss daher zerstört werden. Based on all the evidence we have seen over the past four months with regards to ChatGPT and how it can be manipulated or even how it will lie without manipulation, it is very clear ChatGPT is, or can be manipulated into being, malevolent. As such it should be destroyed.

Wie KI Social Media zu einem Monster machte

  • Bill Ready, der CEO von Pinterest, schreibt in diesem Beitrag, dass bei der Diskussion über KI häufig deren Einsatz auf Social-Media-Plattformen vergessen geht.
  • Gemäß Ready hätten sie KI genutzt, um die Leute süchtig zu machen, was sich zunehmend negativ auf die geistige Gesundheit der User auswirke.
  • Er stellt die Frage, was die Social-Media-Plattformen nun mit dieser neuen KI-Generation anfangen werden.
  • Früher seien die Plattformen dazu dagewesen, um sich mit Freunden und Bekannten auszutauschen. Heute würden die Plattformen die Leute aber nicht mehr vereinen, sondern viel mehr spalten. Als schuldigen sieht er die KI, welche als Ziel hat die View Time zu maximieren.
  • Und die KI brauchte nicht lange um herauszufinden, dass sich diese mit den niedersten Instinkten am besten verlängern lässt: Angst, Wut, Neid und Gier.
  • Ein interessanter Beitrag, bis er dann gegen den Schluss damit beginnt sich und seine Firma etwas zu sehr ins beste Licht zu rücken. Den Teil über Wut, Hate Speech und Filterblasen kann ich aber voll und ganz unterschreiben.

Sollte Sampling legalisiert werden?

  • In diesem Artikel vertritt Dan Charnas, übrigens Autor des Buches über J Dilla, die Meinung, dass man Sampling ähnlich wie das Covern von Songs behandeln und somit legalisieren sollte.
  • Für Charnas sollte das Recht, Kunst zu erschaffen höher gewichtet werden als das Recht auf Eigentum.
  • Der Vergleich mit den Cover-Songs ist einerseits bestechend, auf der anderen Seite hinkt er leider auch. Denn was als Cover gilt und was nicht, ist ziemlich klar abgesteckt. Sampling kann jedoch in völlig unterschiedlichen Formen vorkommen und es ist fraglich, ob man ein einsekündiges Drum-Sample gleich behandeln will, wie einen 4-Bar-Loop.
  • Die meisten Rechteinhaber und noch viel mehr die Anwälte würden sich ganz bestimmt mit Händen und Füssen wehren. Plus haben sie nun sogar noch ein weiteres Mittel, um herauszufinden, ob in einem Song illegalerweise ein Sample verwendet wurde: Google Assistant.
  • Herausgefunden haben dies einige Sample-Nerds, die mithilfe von Google Assistant Samplequellen ausfindig machen konnten, die über viele Jahre unentdeckt blieben. Selbst Samples, die kürzer als eine Sekunde sind, konnte die KI erkennen.
  • Für Nerds ist das eine tolle Geschichte, aber wie erwähnt auch für Anwälte und somit geraten Producer wohl noch stärker unter Druck ihre Samples zu clearen – oder auf die Kunst des Samplings zu verzichten.
  • Möglich ist auch, dass Google Assistant irgendwann die Content ID ablöst, da sie sich offenbar als deutlich effektiver erwiesen hat.

Bonus Reads

  • Man braucht ein wenig Zeit, aber dieser Deep Dive zu KI in der Musikbranche, inklusive Case Studies und der Vorstellung zahlreicher Plattformen, ist unbedingt lesenswert.
  • Nicht nur Spotify, sondern auch SoundCloud lanciert einen Discovery Feed im Stil von TikTok. Der vertikale Feed wird momentan mit einer beschränkten Anzahl User ausgetestet. Vorgeschlagen werden Songs basierend auf deinem bisherigen Hörverhalten und es wird jeweils auch eine Erklärung stehen, wieso ein Song vorgeschlagen wird.
  • Dieser interessante Artikel von MIDiA zeigt, wie Streaming immer ähnlicher wird wie Radio, obwohl es mit seinem On-Demand-Ansatz ja eigentlich ursprünglich das Gegenteil zu sein schien. Doch das passive Hören wird immer mehr gefördert, Spotify tut dies neu auch mit dem KI-DJ, YouTube Music mit den neu lancierten Radio Station. Das Problem dabei: früher gab es als Gegenstück zum Radio noch physische Produkte für die aktiven Hörer*innen. Wie gewohnt hält MIDiA aber auch einige Lösungsansätze bereit.
  • Immer mehr Social-Media-Plattformen lancieren Subscriptions, wo man etwa für den blauen Haken bezahlen muss. Dieser Artikel zeigt wieso. Früher wurde dein Feed mit Posts von Freunden und Bekannten gefüllt, heute sieht man primär Posts von professionellen Creatorn. Und diese wollen und brauchen die Vorteile, welche die Subscriptions bieten und sind auch bereit dafür zu bezahlen. Das begründet dann wohl auch, weshalb nur ein kleiner Prozentsatz der User die Subscriptions abgeschlossen haben.
  • Letzte Woche habe ich geschrieben, dass das Interesse an Katalogverkäufen von HipHop-Artists langsam aber sicher wächst. Hier nun ein weiterer Beweis: Metro Boomin hat einen Teil seines Publishing Katalogs für 70 Millionen an Shamrock verhökert.

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