Industry Groove – Woche 6

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Ihr habt es wahrscheinlich schon vermutet, auch diese Woche geht es nicht ganz ohne das Thema „neues Streaming-Modell“ – und das ist gut so. In diesem Zusammenhang ist auch darauf hinzuweisen, dass der Anteil der Majors am Streaming-Kuchen stetig sinkt.

Die andere herauszustreichende Geschichte der Woche ist die unverhohlene Provokation seitens TikTok gegenüber den Major-Labels. Was da genau los ist, lest ihr weiter unten.


Kann ein neues Streaming-Modell die Probleme tatsächlich lösen?

  • Wie erwähnt geht es nicht ganz ohne das Thema „neues Streaming-Modell“. Wenig überraschend kommt einer der weitsichtigsten Artikel dazu von MIDiA.
  • In diesem zeigt Mark Mulligan erst auf, dass eigentlich alle Seiten nicht wirklich zufrieden sind. Die Künstler*innen wollen einen größeren Teil des Kuchens, die Rechteinhaber (Labels, Vertriebe etc.) höhere Lizenzgebühren und manche Streamingdienste, allen voran Spotify, schreiben Verluste.
  • Nun ist es aber unmöglich, dass alle involvierten Player mehr vom Kuchen erhalten. Erhält eine Partei mehr, hat eine andere weniger. Dies wäre auch bei einem neuen Modell kaum anders.
  • Trotzdem bringt auch er noch eine neue Idee auf und zwar, dass jeder Stream mit einem fixen Betrag vergütet wird (z.B. 0,01) und jeder User dann monatlich so viele Songs hören kann, bis seine 9,99 aufgebraucht sind (also 999 Tracks). Wer mehr hören will, bezahlt extra.
  • Zudem zeigt Mulligan klar auf, dass die Probleme hier auf der Angebotsseite (also Artists, Labels, DSPs) liegen und nicht der Nachfrageseite (Hörer*innen). Nie dürfe man die Bedürfnisse der Kund*innen vergessen.
  • Zum Abschluss zeigt er dann nochmals, dass sich das Streaming-Modell wohl kaum reparieren lässt, den selbst eine Verdoppelung der Auszahlung würde den meisten Artists nichts nützen aber das ganze Streamingsystem zum Kollabieren bringen. Man muss sich also nach anderen Einnahmequellen und Alternativen zum Streaming umschauen, wie ich bereits in diesem Artikel dargelegt habe.

Anteil der Indies am Streaming-Kuchen wächst

  • Ein genauer Blick in die Zahlen von Spotify verrät, dass 75% der Streams von den Majors und Merlin (also auch von iGroove) stammt. Handkehrum wird also jeder vierte Stream von einem DIY-Artist sowie Indie-Labels, die nicht mit Merlin arbeiten, generiert.
  • Nicht zu den 25% beigetragen hat u.a. DistroKid, die mit Merlin zusammenarbeiten. Andere große Distributoren wie TuneCore oder UnitedMasters sind jedoch nicht bei Merlin angeschossen.
  • Merlin gibt an, etwa 15% des Musikmarktes auszumachen. Somit würden also 60% auf die drei Majors entfallen.
  • Der Anteil von DIY/Indies wächst stetig, 2017 lag er noch bei 13%, 2018 waren es 15%, 2019 18%, 2020 22% und 2021 23%.
  • Dieser Verlust von 12% Marktanteil in fünf Jahren zeigt klar, wieso nun selbst die Majors ein neues Streaming-Modell verlangen.

TikTok ohne Major-Label-Mucke?

  • Auch wenn momentan noch alles hinter verschlossenen Türen stattfindet, ist klar, dass die Majors und TikTok intensiv verhandeln. Klar ist auch, dass deutlich mehr Geld von TikTok in die Musikindustrie fließen müsste. TikTok dürfte dies jedoch etwas anders sehen.
  • Australien wurde nun zum Spielfeld für einige Tests auserkoren. Zum einen können einige User in Down Under momentan keine Musik von Major-Künstler*innen mehr für ihre Videos verwenden (und selbst bei älteren Videos wird sie gemutet). Zum anderen expandiert TikToks Vertrieb SoundOn nach Australien. Ein Schelm wer hier Zusammenhänge vermutet.
  • Wieso macht TikTok das? Es ist zu vermuten, dass sie den Einfluss des Major-Contents prüfen wollen und was geschieht, wenn dieser nicht mehr vorhanden ist. Dies natürlich mit den Verhandlungen im Hinterkopf.
  • TikTok hofft selbstverständlich, dass kein großer Effekt spürbar sein wird. Sollte dieser jedoch stark ausfallen, war es natürlich ein Schuss in den Ofen.
  • Mehr oder weniger gleichzeitig wurde bekannt, dass TikTok seinen Vertrieb SoundOn in Australien lanciert (bislang gibt es diesen in den USA, UK, Brasilien und Indonesien)
  • Mittels SoundOn kann man seine Musik direkt für TikTok und Resso bereitstellen. Dank der Zusammenarbeit mit TuneCore werden aber auch alle anderen relevanten Stores beliefert.
  • Wie TikTok ohne Major-Content aussehen würde, vertieft dieser Artikel von MBW und auch hier spielt SoundOn eine Hauptrolle, ebenso KI.

YouTube Shorts: 50 Milliarden Views täglich

  • Im ersten Quartal dieses Jahres rapportierte YouTube noch 30 Milliarden tägliche Views, nun zum Ende des vergangenen Jahres ist diese Zahl auf 50 Milliarden Views angewachsen.
  • Damit liegen Shorts aber noch deutlich hinter den Reels von Instagram, die pro Tag 140 Milliarden Views generieren sollen. Von TikTok liegen keine Zahlen zu täglichen Views vor.
  • Seit diesem Monat teilt YouTube einen Teil der mit Shorts generierten Werbeeinnahmen mit den Creatorn. Es wird spannend zu beobachten sein, ob dies einen Einfluss auf die Anzahl produzierter Shorts und schlussendlich auch die Views haben wird.
  • Derweil gingen die Werbeumsätze von YouTube im Q4 auf 7,96 Milliarden Dollar zurück, im Vorjahr betrugen diese noch 8,63 Milliarden. Bereits im Q3 waren die Umsätze rückläufig. Zeichnet sich hier ein Trend ab?
  • Über das ganze Jahr betrachtet wuchsen die Werbeeinnahmen immerhin minim und zwar von 28,85 auf 29,24 Milliarden Dollar.

Die Piraterie wächst

  • In einem älteren Artikel hatte ich bereits einmal erwähnt, dass ich regelmäßig daran erinnern will, was wir eigentlich alle wissen: Streaming hat die Piraterie nie gänzlich ausgelöscht dafür hat es neue Optionen erschaffen.
  • Gleich zwei neue Studien zeigen, dass die Piraterie wieder zunimmt. Eine britische Studie zeigt, dass 25% der Befragten in den letzten 3 Monaten mindestens einmal Musik illegal konsumierten. Ein Jahr zuvor waren es erst 15%.
  • Besonders häufig sind es junge Konsument*innen, die ihre Musik auf illegalem Weg konsumieren.
  • Immerhin sind es nur 3%, die nur illegal konsumieren, stark gestiegen ist jedoch die Anzahl deren, die legale und illegale Methoden nutzen und zwar von 13% auf 22%.
  • Eine zweite Studie kommt aus den USA und auch zeigt ebenfalls einen Anstieg im Jahr 2022, wobei hier Musik aber weniger stark betroffen ist als etwa Filme.
  • Viele Probleme werden dabei in Russland, China und Osteuropa ausgemacht. Noch ein bisschen Kalte-Krieg-Rhetorik halt.

Bonus Reads

  • Ursprünglich empfahl Spotify nur fünf Distributoren. Nun wurde diese Liste erneut upgedatet und es stehen unterdessen 23 Namen darauf (iGroove ist seit einigen Jahren einer davon). Seht hier, welche Anbieter zu den „Preferred Distributor“ gehören.
  • Billboard erstellt alljährlich eine Liste mit den mächtigsten Damen und (vor allem) Herren der Musikindustrie. Hier gibt es die neuste.
  • In diesem Trapital-Artikel wird die Meinung vertreten, dass Celebreties im Audiobereich nicht dieselbe Wirkung haben. Viel eher sei eine Fragmentierung zu beobachten: Es gibt Streaming Artists, Touring Artists, Album Sales Artists oder Festival Artists – aber kaum jemand ist alles in einem.
  • Es tut sich gerade einiges im Bereich Suchmaschinen und KI: Google, Baidu (das Google von China) und Microsoft (mit ChatGPT) verkündeten diese Woche Neuigkeiten. Was dies für Musiker*innen bedeuten könnte, wie solche Search-KI auch bei den DSP zum Einsatz kommen könnte und wieso man wohl seine SEO-Strategie überarbeiten muss, zeigt dieser Artikel.
  • Dieser interessante Artikel zeigt, wie KI-Musik die Einnahmen von Künstler*innen schmälern könnte.
  • Soeben gingen die Grammys über die Bühne. Nach solchen Award Shows kann man sich natürlich fragen, ob diese einen starken Einfluss auf die Streamingzahlen der Artists haben. Eine Untersuchung zeigt: kann, muss aber nicht.
  • Wie in jeder Branche gibt es auch in der Musikindustrie so manche Arschlöcher, die es z.B. genießen Leute anzuschreien. Doch noch etwas stärker als in anderen Branchen werden diese als Rebellen oder Genies schöngeredet. Damit sollten wir dringend aufhören, argumentiert dieser Artikel. That they continue to break spirits and destroy careers is not because they are admired but because they are feared.
  • Ihr Jahresergebnis werden sie zwar erst im März veröffentlichen, doch bereits jetzt lässt Believe uns wissen, dass sie 2022 erstmals die Milliardenmarke mit digitalen Musikverkäufen (Streaming und Downloads) geknackt haben.
  • Das in L.A. beheimatet Musiklizenzierungsunternhemen Songtradr hat 7Digital für 19,4 Millionen Pfund gekauft.
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