Industry Groove – Woche 11

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Im Newsletter letzte Woche waren die vielen Änderungen bei Spotify eher eine Eilmeldung, schauen wir also mit etwas Abstand nochmals zurück auf den Stream On Event. War das jetzt wirklich der innovative Befreiungsschlag oder überwiegen die Dinge, die sich eben doch nicht bewegt haben?

Ohne Zweifel, die Countdown Page und auch der ausgebaute Einsatz von Kurzvideos sind interessant, der effektive Nutzen wird sich aber erst zeigen, wenn sie breitflächig im Einsatz sind und nicht nur die Ed Sheerans dieser Welt eine Countdown Page aufsetzen können. Der neue Discovery Feed wurde von den Usern bislang offenbar eher kritisch aufgenommen (ich weiß nicht wie es bei euch ist, aber bei mir sieht sowieso alles noch gleich aus) und auch die zu erwartende Kritik am sehr umstrittenen Discovery Mode ließ nicht lange auf sich warten. Und natürlich man darf sich durchaus fragen, ob der Effekt nicht zunehmend verpufft, je mehr Artists das Tool benutzen und ihre Songs zuvorderst in die Schlange pushen wollen.

Für den Moment wiegt also das, was sich nicht verändert hat, schwerer. Die Weigerung sich auch nach zwei Jahren nicht zum Thema HiFi zu äußern, erscheint schon fast kindisch. Noch viel harscher fällt natürlich die Kritik an den weiterhin fehlenden Preiserhöhungen aus, was auch weiter unten wieder Thema sein wird.


Warner-CEO fordert höhere Subscription-Preise

  • Rober Kyncl, CEO von Warner Music, äußerte sich bei einem öffentlichen Auftritt klar und deutlich zum Thema Preiserhöhungen und auch wenn er Spotify nicht beim Namen nannte, ist klar an wen die Kritik hauptsächlich gerichtet war.
  • Kyncl sagte nur schon aufgrund der Inflation müsste ein Abo heute 13,25$ kosten und nicht 9,99.
  • Alle Firmen, die ihre Preise nicht erhöht hätten, seien für die Unterbewertung von der Musik mitverantwortlich. Musik sei die preiswerteste Form der Unterhaltung mit dem tiefsten Preis pro Stunde.
  • Nachdem bereits Universal sich klar für Preiserhöhungen ausgesprochen hat, muss man sich wirklich fragen, wie lange Spotify dem Druck aus der Industrie noch standhalten kann.
  • Eine etwas differenziertere Analyse zum Thema liefert uns Dan Runcie vom Trapital-Newsletter. Er verweist dabei auch auf die sehr kleinen Margen der DSPs und dass es daher nicht verwunderlich sei, dass die meisten der großen DSPs den Tech-Giganten gehören und vor allem deren Kundenakquise dienten.
  • Er erwähnt zudem auch nochmals die problematische Nähe zwischen DSPs und Major Labels und deren Bevorzugung.
  • Daher bringt er auch nochmals seine Idee ins Spiel, dass die Majors ihre eigenen DSPs aufbauen (oder einkaufen) sollten, von der ich weiterhin eher wenig halte.

US-Musikindustrie wächst – aber langsamer

  • In den letzten Tagen und Wochen haben die wichtigsten Musikmärkte die Zahlen von 2022 veröffentlicht und durchs Band ist ein Wachstum festzustellen. Nun hat auch der weltweit größte Musikmarkt seine Zahlen präsentiert.
  • Zum siebten Mal in Folge wuchs der US-Markt und zwar um 6,1% von 15 Milliarden 2021 zu 15,9 Milliarden. Die Wachstumsrate ist somit jedoch die tiefste seit 2015. In den letzten Jahren war das Wachstum immer zweistellig mit Ausnahme des Corona-Jahres 2020, wo es aber trotzdem 9,2% betrug.
  • 84% des generierten Umsatzes (13,3 Milliarden) steuerte das Streaming bei, im Vorjahr waren es 83% (12,4 Milliarden). Das ist ein Wachstum von 7,2%, im Vorjahr waren es noch deutlich saftigere 23%.
  • Unterdessen gibt es in den USA 92 Millionen zahlen Subscriber, was 9,6% mehr sind als im Vorjahr.
  • Downloads fielen um 20% und generierten noch 495 Millionen Döller, was noch 3% des Marktes ausmacht.
  • Erstmals seit 1987 verkaufte sich Vinyl besser als CDs (bislang überholte Vinyl die CD bloß in Sachen Umsatz). 41,3 Millionen Vinyls wurden verkauft und nur noch 33,4 Millionen CDs. Insgesamt wuchs der physische Bereich um 4% und generierte 1,7 Milliarden.
  • Stark gewachsen, um 24,3%, ist der Umsatz mit Sync auf 382,5 Millionen.

Sorgt der Spotify Discovery Feed für große Veränderungen?

  • Eine interessante Analyse zu dem an TikTok angelehnten Discovery Feed von Spotify liefert Tatiana Cirisano von MIDiA. Als erstes wiederholt sie, dass Spotify viel an kultureller Relevanz eingebüßt hat und gerade die Gen Z eine aktivere Erfahrung wünscht und daher viel stärker auf Plattformen wie TikTok präsent ist.
  • Discovery Feed wurde ganz offensichtlich dazu entwickelt, um dies zu ändern. Gemäß Cirisano könnte es aber noch weitere Nebeneffekte haben.
  • Sie glaubt nämlich, der Feed könnte eine Entwicklung umkehren, welche Spotify selbst mit seinen Playlisten angestoßen hat. Nämlich die immer kürzeren Songs, die Hooks gleich zu Beginn des Tracks, der Verzicht auf Intros, Bridges und so weiter.
  • Im Feed wird natürlich nur der auffallendste Teil des Songs präsentiert, die vollständige Version des Songs kann aber wieder mehr Ecken und Kanten haben.
  • Jedoch stelle sich die Frage, inwiefern die eher passiven Spotify-Nutzer*innen den Feed überhaupt nutzen werden. Zudem konkurriere Spotify nun direkter mit TikTok und dieser Kampf sei kaum zu gewinnen. Für die Artists stellt sich zudem die Frage, ob sie noch eine weitere Plattform mit Videos bespielen wollen.
  • Trotzdem bestehe die Möglichkeit, dass Spotify hier die Lücke schließe, in der es sich eigentlich TikTok Music gemütlich machen wollte. Dies nicht zuletzt, weil sie durch den Feed und die Videoposts der Artists mehr Infos zum Verhalten der User sammeln könnte, welches über den Musikgeschmack hinausgeht.

Nur noch 755 Jahre bis eine Million Künstler*innen von Spotify leben können

  • “Our mission is to unlock the potential of human creativity by giving a million creative artists the opportunity to live off their art and billions of fans the opportunity to enjoy and be inspired by it.” Dieses wohlklingende Motto hat Spotify ausgegeben und MBW wollte herausfinden, ob Spotify auf gutem Weg dazu ist, dass wirklich eine Million Artists alleine vom Spotify-Money leben kann.
  • Gegenwärtig sind es, wie letzte Woche bereits berichtet, 57.000 Artists, die mehr als 10k verdienten und 1.060 Künstler*innen, welche die Millionenmarke knackten.
  • MBW verglich nun die aktuellen Zahlen mit denen von 2020 und 2021, um herauszufinden, wie es um das Wachstum bestellt ist. Dabei fokussieren sich auf die Künstler*innen, die mehr als 50.000 generierten, da man mit einem tieferen Betrag kaum davon leben kann.
  • Von 2021 zu 2022 kamen gerade einmal 1.300 Artists hinzu, welche die 50k Marke überschritten. Von 2020 zu 2021 waren es immerhin 3.100 gewesen.
  • Wächst die Anzahl Artists im selben Stil weiter, dauert es somit nur noch 755 Jahre bis das Ziel von einer Million erreicht ist. Was MBW damit sagen will: sucht euch einen neuen Slogan!

Bonus Reads

  • Als ich gestern auf dem Sofa lag und die Monatszeitung Le Monde diplomatique las, fand ich, dass dieser Artikel gut in den Newsletter passen würde. Felix Stalder, Professor für Digitale Kultur in Zürich, analysiert hier die aktuelle Social-Media-Landschaft überaus scharfsinnig. Er kritisiert dabei u.a. die Ideenlosigkeit der Plattformen und fragt sich, ob die nun lancierten Abomodelle eher Verzweiflung oder schon Erpressung sind. Wieso die User trotzdem auf den Plattformen bleiben? Neben der Bequemlichkeit liegt es vor allem daran, dass man die über Jahre aufgebauten Netzwerke verlieren würde. Was die Politik tun müsste, um dies zu ändern zeigt Stalder ebenfalls auf.
  • Künstler*Innen aus dem elektronischen Musikbereichen gehörten zu den ersten, die sich an NFTs versuchten und so ist es eigentlich nur konsequent, dass nun auch Beatport seinen eigenen NFT Marketplace lanciert. Beatport.io wurde in Zusammenarbeit mit Polkadot entwickelt und ist ab sofort online.
  • Billboard fragt sich in diesem Artikel, ob die Downloads jemals ein Comeback haben werden wie z.B. Vinyl in den letzten Jahren. Vermutlich nicht, gleichzeitig zeigt der Beitrag aber auch, wieso Downloads teilweise doch noch wichtig (und lukrativ) sein können und ein Zeichen sind für eine starke Fanbase.
  • Je älter man wird, desto weniger neue Musik entdeckt man. Dies ist nicht nur eine Vermutung, sondern sogar wissenschaftlich bewiesen. In welchem Alter man wie empfänglich ist für neue Sounds, zeigt dieser Beitrag. Ich bin froh hier eher eine Ausnahme zu sein, auch wenn mein Geschmack in Sachen Genres gefestigt ist, bin ich doch weiterhin ständig auf der Suche nach neuen Artists, Alben und Tracks. Keep on diggin‘!
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